Ins Stottern bringen
IM PORTRÄT / SEBASTIAN LINZ
09/01/18 Von der alternativ-kulturellen „Schmuddelecke“ der Achtzigerjahre bis zur etablierten Institution heute blickt die ARGEkultur auf eine spannende Geschichte. Sebastian Linz, der neue künstlerische Geschäftsführer, will den „gut geölten Betrieb“ weiter fortführen, aber auch neue Freiräume schaffen: „Ich möchte den Betrieb gern wieder ins Stottern bringen.“
Von Heidemarie Klabacher
Die längst etablierten und pensionierten ARGE-Gründer aus der Generation der längst im Legendären verpufften „Achtundsechziger“-Bewegung werden es besonders schätzen, wenn da ein engagierter noch nicht vierzigjähriger Kulturmensch vom „Widerstand der Worte“ schwärmt. Jenem Widerstand, der einen zwinge, mit den Worten zu ringen und diese damit neu zu denken. „Um Aggressivität geht es dabei nicht. Es geht um Haltung“, sagte Sebastian Linz heute Montag (9.1.) bei seinem ersten Pressegespräch in der ARGEkultur.
„Politisches Handeln ist wichtig. Aber noch wichtiger ist die Grundlage, auf der man handelt.“ Beispiel? Wenn die Politik, auch der ehemals „linken“ Parteien immer stärker von „rechts“ kommt, müsse man darauf reagieren und diesen „gesellschaftspolitischen Wandel reflektieren“. Tatsächlich stelle sich ihm die Frage, so Sebastian Linz, ob es die „traditionelle Achse links-rechts“ überhaupt noch gibt: „In Österreichs und Europas Drift nach ‚rechts‘ wird sichtbar, wie sich die einst konträren politischen Lager fragmentieren und zersetzen. Mancherorts schließt sich kurz, was vorher unvereinbar schien.“ Diese Entwicklungen werden aus unterschiedlichsten Blickwinkeln beim Open Mind Festival 2018 verhandelt werden, dem ersten Programmpunkt, den Sebastian Linz verantworten wird.
Mit 1. März übernimmt Sebastian Linz die Aufgabe des künstlerischen Geschäftsführers in der ARGEkultur und wird gemeinsam mit der kaufmännischen Geschäftsführerin Daniela Gmachl die „gemeinnützige GmbH ARGEkultur“ leiten. Er wolle, so Linz, die Erfolgsgeschichte der ARGEkultur, ihres interdisziplinären Programmes und damit die Arbeit von Markus Grüner-Musil auf einem weiterhin hohen inhaltlichen und künstlerischen Niveau fortzusetzen. Theater, Musik, Tanz, Kleinkunst, Kulturvermittlung wird es selbstverständlich weiter gegeben. Er wolle aber auch neue Perspektiven, neue Partnerschaften und neue Netzwerke etablieren. Vor allem natürlich: „Neue Formate, die vielleicht zuerst abgelehnt und vielleicht dann doch angenommen werden.“
Er sehe es auch als seine Aufgabe, „den gut geölten Betrieb, das reibungslose Funktionieren, die tägliche Routine des Erfolges wieder einmal kritisch zu hinterfragen – und so neue Frei-, Denk- und Handlungsräume zu schaffen.“ Auch in „rechten“ Zeiten soll die ARGE kein „Rückzugsort“ werden für kritisch denkende und handelnde Menschen: „Das ist sicherlich nicht mein Ansatz für dieses Haus. Ich möchte die ARGEkultur weiterhin als Ort der Begegnung, Offenheit, Toleranz, Inklusion und Diversität gestalten; als Ort der Kunst, der Ästhetik und des Experiments; als Ort der gesellschaftlich relevanten Themen und Debatten; als Ort der analytischen Reflexion, des kritischen Diskurses, und der lebendigen Auseinandersetzung.“ Die ARGE ist „kein Ort des Rückzugs, sondern des Aufbruchs“.
Sebastian Linz, geboren 1980 in Schwabach bei Nürnberg, studierte Theaterwissenschaft, Neuere Deutsche Literatur und Germanistische Linguistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und schloss sein Studium 2008 ab. Anschließend war er Regieassistent am Bayerischen Staatsschauspiel. Seit 2011 arbeitet er freiberuflich als Regisseur, Dramaturg, Kurator, Produzent und Kulturvermittler. Unter dem dem Label „ausbau.sechs“ realisiert Sebastian Linz freie Theaterprojekte zwischen Performance und Installation. Er arbeitete u. a. für die Festivals Spielart, Dance und die Münchner Biennale. Bei den Salzburger Festspielen war er Regieassistent von Jens-Daniel Herzog, Peter Stein, Peter Konwitschny und William Kentridge. Linz unterrichtet an der die Bayerischen Theaterakademie August Everding oder im Rahmen des Siemens Arts Program. Ein weiterer Salzburg-Bezug: Er ist Absolvent des ersten Jahrgangs des Universitätslehrgangs ‚Kuratieren in den Szenischen Künsten’ 2017 an der Paris-Lodron-Universität Salzburg und der LMU München.