Vom Wegträumen und von der Zeitkritik
IM PORTRÄT / THOMAS ENZINGER
07/07/17 „Musikalisches Unterhaltungstheater in seiner ganzen Vielfalt ist die große Leidenschaft meines beruflichen Lebens. Deshalb sehe ich es nach vielen Jahren der Wanderschaft als Regisseur als eine spannende Herausforderung, meine Kraft und Erfahrung an diesem besonderen Ort einzusetzen“, sagt der neue Intendant des Lehár-Festivals Bad Ischl, Thomas Enzinger.
Von Elisabeth Aumiller
Enzinger ist in Bad Ischl Nachfolger von Michael Lakner. Im bevorstehenden Festival-Sommer ist er der Verwalter der noch von Lakner vollständig geplanten und vorbereiteten Saison. 2018 wird er dann beim Lehár Festival eigenständig künstlerisch tätig sein.
Der Regisseur Thomas Enzinger stammt aus Wien, wo er nach dem Gymnasium eine Schauspielausbildung absolvierte und dann mehrere Jahre als Schauspieler tätig war, u.a. in der Josefstadt und am Landestheater Linz. Aber das Regieführen war immer sein Ziel und seine Leidenschaft gilt dem Unterhaltungstheater. Mit seinen Inszenierungen feierte er an zahlreichen Bühnen große Erfolge, darunter an der Volksoper und am Metropol Wien, an der Oper Kiel, am Gärtnerplatztheater München, an den Staatstheatern Braunschweig und Nürnberg, am Tiroler und Salzburger Landestheater (hier hat er jüngst „Der nackte Wahnsinn“ inszeniert).
Im Gespräch zeigt er sich als Energiebündel und lässt erkennen, wie sehr er für seine neue Aufgabe beim Lehár-Festival brennt: „Ich möchte meine persönliche Handschrift hier einbringen und das, was ich an Wissen und Erfahrung über 25 Jahre gesammelt habe, bündeln. Das reizt mich an dieser Aufgabe, noch dazu in einer der schönsten Regionen der Welt, wo die Superstars gelebt und Neues geschaffen haben. Ich bin froh, an diesem magischen Ort zu sein, von wo so viel ausgegangen ist.“
Durch seine künstlerische Arbeit und auch durch seine Präsenz bei jeder Vorstellung möchte Enzinger mit seiner Begeisterung anstecken. Operette sieht er nicht als museal an, nur die „Flachbügelung in den 1950er-Jahren“ habe ihr geschadet. Man müsse wieder auf den originalen Kern zurückgehen und die Geschichten für das heutige Verständnis erzählen. In dem, was zwischen den Zeilen steht, liege der Charme und der Biss. „Aber man muss Operette nicht in Jeans spielen, um eine heutige Erzählweise zu finden. Das Träumen, das Wegträumen ist immer wichtig und Theater ist immer Fantasie“, bekräftigt Enzinger. Gerade das Unterhaltungstheater treffe Herz und Hirn und spreche große Publikumsschichten an, es befruchte auch wieder andere Sparten. So könne das Lehár Festival auch ein spannender Ausflugsort in Ergänzung zum Salzburger Festspielsommer sein, meint Enzinger.
Operette sei eine Mischung aus Hochglanz und Gegenwart. So seien früher die Aufführungen Events und gesellschaftliche Treffen gewesen: „Kultur in all ihren Facetten ist ein Teil unserer Gesellschaft und ein Wertesystem. Man kann nicht genug Herzblut in sie investieren. Es ist für die Seele wichtig, dass sie da ist. Aber Kultur muss auch immer in Bewegung bleiben und sich weiterentwickeln“, sagt Enzinger mit leidenschaftlicher Überzeugung.
Der Intendant möchte den Festival-Charakter ausbauen und verstärkt in der Stadt aktivieren. Zwei Hauptstücke sollen das künstlerische Fundament sein und daneben soll es kleinere Veranstaltungen geben. Eckpfeiler werden sowohl klassische Stücke als auch die Berliner Revue-Operette und die Französische Operette sein. Den Revue-Charakter mit Show und Tanz möchte er intensivieren. Es gebe darin viel mehr Anspielungen und Ecken und Kanten, als man an der Oberfläche sehe. Und die französische Operette sei eigentlich der Ursprung gewesen mit viel Zeitkritik und Sarkasmus. Auch Uraufführungen hat Enzinger im Blick, speziell für Bad Ischl kreiert, und auch Musical sei denkbar. Die Besetzungen sollen künftig stückbezogen gehandhabt werden in einer Mischung aus jungen Begabungen, etablierten Publikumslieblingen und Gästen. Enzinger möchte jeweils ein Stück selbst inszenieren.
Ein besonderer Service für die Zuschauer ist der Superfrühbucherbonus von 15 Prozent, jetzt bereits für 2018. Der Verein Lehár Festival soll zum „Verein der Freunde des Lehár Festivals“ ausgebaut werden. Natürlich brauche Kultur auch Förderer, von Herzen ebenso wie materiell. Die Kinder- und Jugendarbeit wird fortgesetzt und erweitert.
Der Festival-Sommer 2017 startet am 15. Juli mit Franz Lehàrs „Die Lustige Witwe“ unter der Leitung von László Gyükér in einer Neuinszenierung von Leonard Prinsloo. Am 22. Juli hebt sich der Vorhang erstmals in der Geschichte der Festspiele in Bad Ischl zur „Saison in Salzburg“ von Fred Raymond, einer Revueoperette nach dem Muster des bekannten Singspiels „Im weißen Rössl“, mit Marius Burkert am Pult. Zwei halbszenische Aufführungen zeigen die vergessene Operette „Kaiserin Josephine“ von Emmerich Kálmán, die wunderbare Tenorarien enthält. Vincent Schirrmacher verkörpert Napoleon Bonaparte und Miriam Portmann Josephine Beauharnais, Marius Burkert dirigiert. Zwei Liedermatineen am 20. und 27. August runden das Programm 2017 ab: „Reisebuch aus den Österreichischen Alpen“ und „Wien in den USA“.