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Salzburg wird bunter sein, keine Frage

HINTERGRUND / SALZBURG 20.16 / KARL-MARKUS GAUß

18/01/16 Den Salzburger Literaten Karl- Markus Gauß hat man eingeladen, beim Eröffnungsfestakt für das Landes-Jubiläum „Salzburg 20.16“ am Freitag (15.1.) im Großen Saal des Mozarteums eine „Rede für Salzburg“ zu halten. - Besser österreichisch, als ein weiteres hübsches bayerisches Landshut, meinte Gauß.

In seiner „Rede für Salzburg“ beschäftigte sich Karl-Markus Gauß eingangs mit den Optionen, die für Salzburg nach dem Ende des Erzbistums denkbar waren. Bei der Variante Salzburg als Teil von Bayern hätte der bayrische Zentralismus Salzburg ökonomisch wie kulturell kaum Möglichkeiten einer eigenständigen Entfaltung gewährt. Gauß wörtlich: Vergessen wir nicht, eine der ersten Amtshandlungen, die die bayrische Regierung 1810 verfügte, war die Schließung der Salzburger Universität! In den zwanzig, dreißig Jahren vorher waren zahlreiche bayrische Professoren, Studenten, Schriftsteller nach Salzburg geflüchtet, weil sie hier Schriften publizieren und lesen konnten, die in Bayern strikt verboten waren. Ausgerechnet in seinen letzten Jahren hatte das Fürsterzbistum, in dem das geistige und religiöse Leben jahrhundertelang streng reglementiert und die Bevölkerung unter andauernder Observanz gehalten wurde, nämlich eine zwar staatsfromme,

aber eben doch auf Vernunft setzende Aufklärung zugelassen, die anderswo und gerade in Bayern methodisch unterdrückt wurde.“ Wäre Salzburg tatsächlich auf Dauer bayrisch geworden, würde man, so argwöhnt Gauß „was die geistige Strahlkraft und das kulturelle Ansehen betrifft, von der Stadt Salzburg heute vermutlich als von einem anmutigen Landshut des Südens oder einem Rosenheim an der Salzach sprechen“.

Die zweite Möglichkeit, aus dem religiösen einen säkularen Kleinstaat zu machen, hätte die nationalistische Engstirnigkeit gefördert, so Gauß weiter. „Ein souveräner Kleinstaat Salzburg, wie hätte er, der auf Abschottung seines beträchtlich verkleinerten Territoriums hätte setzen müssen, nach 1816 wirtschaftlich, politisch, kulturell reüssieren können! Nein, es ist gut, dass es mit dieser Souveränität Salzburgs nicht geklappt hat. Es bleibt also bei dem, was wir heuer zu feiern haben, bei der Zugehörigkeit zu Österreich.“

Indem sich Österreich Salzburg einverleibte, fand sich Salzburg in einem Staat wieder, der seine wirtschaftliche Kraft, seine weltweit ausstrahlende Bedeutung gerade aus seiner nationalen Vielfalt bezog, aus der fortwährenden Anziehung und Abstoßung von Zentrum und Peripherie, aus dieser beständigen Zuwanderung begabter Kinder, die der Not ihrer Provinzen entrinnen wollten, und aus der Abwanderung anderer, die ihr Glück gerade in den neuen Provinzen suchen wollten, stellte Gauß fest. Das heiße aber nichts anderes, als dass in der Monarchie in großem Maßstab etwas praktiziert wurde, was im kleinen Erzbistum Salzburg über die Jahrhunderte fast durchgehend staatliche Praxis war. „Ich bin davon überzeugt: Um das Erbe des europäischen Salzburg antreten und erneuern zu können, musste unser Land zu einem bestimmten Zeitpunkt paradoxerweise seine Souveränität verlieren und österreichisch werden.“

Sowohl in der Monarchie als auch in jüngerer Vergangenheit seien es Wissenschafter, Künstler, Architekten, Ärzte und auch viele aus ihren Heimatländern Vertriebene gewesen, die in Salzburg ein neues Zuhause gefunden und das Land zu dem gemacht haben, wofür es heute weltweit bekannt ist.

Gerade den Heimatvertriebenen – Gauß' Vorfahren waren Donauschwaben, die im Dritten Reich nach Salzburg gespült worden waren – widmete Gauß genauere Betrachtungen:

„Als erste waren noch während des Krieges jene Südtiroler ins Land gekommen, die sich als sogenannte Optanten für die Aussiedelung aus ihre Heimat entschieden hatten, wobei sich ihnen keineswegs jene freie Entscheidung bot, die im Wort Option als Bedeutung mitschwingt. 1945 trafen die Elendszüge der sogenannten Volksdeutschen ein, namentlich der Sudeten- und Karpatendeutschen, der Schlesier, Donauschwaben und Siebenbürger Sachsen. Es hätte der Wiederaufbau des Landes ohne sie, die als heimatlose Hungerleider kamen und keineswegs bei allen willkommen waren, so schnell nicht gelingen können, wie das geschehen ist.“ Die Arbeitsmigranten seit den sechziger Jahren, die Flüchtlinge des jugoslawischen Zerfallskrieges seien zwar noch nicht im gleichen Maß als jene Salzburger anerkannt, die sehr viele von ihnen inzwischen geworden sind. „Aber in Wahrheit weiß jeder von uns, dass von der Hotellerie in den Schigebieten zu den Krankenhäusern in den Städten, von der Industrie mit ihrer Schichtarbeit bis zu den Tankstellen, die auch nächtens geöffnet halten, in unserem Land nichts ginge ohne sie.“

„Solche Vertriebene und Getriebene sind in den letzten Monaten viele durch Salzburg gekommen, nicht nur von amtlich befugter Seite betreut, sondern auch von einer enormen Schar von Freiwilligen unterstützt, von religiösen und konfessionslosen Menschen, von Studentinnen und Pensionisten, auf dem Land und in der Stadt, kurz: von so vielen, auf die man als Salzburger Grund hat, stolz zu sein.“

Karl-Markus Gauß schließt mit einem Blick in die nähere Zukunft: „Man braucht kein Prophet zu sein, um zu sagen: Es wird, was die Herkunft der hier lebenden Menschen betrifft, bunter sein als heute. Bunter heißt nicht von vorneherein schon: besser. Aber auch nicht einfach: schlechter. Was daraus wird, hängt von uns selber ab, denn die Geschichte geht ihren Weg nicht nach ehernen Gesetzmäßigkeiten und sie hat kein vorgegebenes Ziel. Was daraus wird, hängt von uns ab, von unserer Bereitschaft, die vielbeschworenen europäischen Werte nicht nur bei den Asylsuchenden amtlich abprüfen zu lassen, sondern auch selbst in unserem Alltag glaubhaft zu leben. Aber auch von unserem unaufgeregten Selbstbewusstsein wird es abhängen, das uns befähigt, nicht in jeder uns ungewohnten Sitte gleich eine Gefahr für unsere angestammte Kultur zu erblicken; das uns aber auch ermächtigt, dort nicht gleichgültig und abgestumpft zu bleiben, wo es gilt, für unsere sozialen und zivilisatorischen Normen ohne Wenn und Aber einzustehen, uns also nicht als desinteressierte oder resignierte, sondern für die eigene Sache engagierte Bürger zu erweisen. Die Toleranz gebietet vieles, aber nicht, der Intoleranz den Weg frei zu geben.“

Die „Rede für Salzburg“ von Karl-Markus Gauß im Wortlaut
Online-Veranstaltungskalender: www.salzburg2016.at
Bild: LMZ / Neumayr

 

 

 

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