Thomas Mann und der „Homo Dei“
SALZBURGER HOCHSCHULWOCHE / LITERATUR
03/08/15 Der Göttinger Literaturwissenschaftler und Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Heinrich Detering, hielt den abschließenmden Festvortrag bei den am Sonntag (2.8.) zu Ende gegangenen Salzburger Hochschulwoche.
Deterings Thema war der „Prekären Humanismus bei Thomas Mann“. „Humanismus war ihm eigentlich ein Gräuel“, so Detering im Blick auf den frühen Thomas Mann (1875-1955). Die Kritik des Schriftstellers habe sich vor allem an jenen Formen des Humanismus entzündet, die darunter ein „selbstsicheres Festhalten am klassischen Erbe“ verstanden. Genau diese „Erstarrung humanistischer Bildungskultur“ wollte Thomas Mann überwunden wissen.
Mann hatte seinen Schopenhauer verinnerlicht. Thomas Mann teilte mit dem Philosophen den Argwohn gegenüber jeder optimistischen Überhöhung des Menschenbildes. Im Widerstand gegen Hitler-Deutschland sei der Begriff des Humanismus bei Thomas Mann schließlich zu einem „Kampfbegriff gegen Rassenwahn, Gewaltverherrlichung, Körperkult und Kriegslust“ geworden, argumentierte Heinrich Detering in seinem Vortrag bei der Hochschulwoche. Thomas Mann habe im Nationalsozialismus ein „reduktionistisches Menschenbild“ erkannt, dem der von ihm kritisierte, erstarrte bildungsbürgerliche Humanismus sogar dienstbar gewesen sei. Erst in dieser Zeit komme es bei Mann auch zu einer positiven Aufladung des Begriffs der Demokratie als Gegenbegriff zum Faschismus.
Zeugnis dieses Widerstandes gegen den aufkeimenden Nationalsozialismus stellte laut Detering auch Manns Begriff des "Homo Dei" dar, wie er im "Zauberberg" vorkommt als Bezeichnung des auf Gott hin ausgerichteten Menschen. Da der alte Humanismus das Menschliche erstickte und der moderne, vitalistische Humanismus dies überwucherte, habe Thomas Mann mit diesem Begriff eine Existenzform, einen Humanismus skizziert, der als Alternative bewusst auf das jüdisch-christliche Erbe rekurrierte, so der Literaturwissenschafter. So habe Mann in einer Rede 1943 im amerikanischen Exil unterstrichen, dass soziale Demokratie und ein Humanismus, „der wieder den Mut hat zur Unterscheidung von Gut und Böse“ das eigentlich Neue in der Welt darstelle.
Tatsächlich habe Mann mit seinem – von ihm selbst groß geschriebenen – „Christlichen Humanismus“ während der Exilsjahre Anschluss an die „First Unitarian Church of Los Angeles“ gefunden. Auch andere europäische Intellektuelle wie etwa der protestantische Theologe Paul Tillich wurden angezogen von diesem „un-dogmatischen“ Christentum mit einer Verknüpfung von Vernunft und Sittlichkeit als Kern der Botschaft Jesu.
1954 bestieg Thomas Mann sogar die Kanzel und hielt „eine Art Predigt“. Da habe er, so Detering, die menschliche Existenz als in letzter Konsequenz „heilig“ und unergründlich beschrieben - als gleichermaßen theologische und anthropologische Existenz. „Damit geht bei Thomas Mann das religiöse Bekenntnis dem humanistischen Bekenntnis voraus“, erklärt dazu der Literaturwissenschafter. Bleibe am Ende die Frage, ob dieser „religiös fundierte Humanismus“ nicht „ein bisschen banal“ sei, so Detering abschließend. Thomas Mann selbst habe 1952 diese Frage mit einer Gegenfrage beantwortet: Ob es im Umgang mit menschlicher Bedürftigkeit denn tatsächlich auf Interessantheit ankomme – „oder vielmehr auf Güte“? (Kathpress/dpk)