Humanität – ein flüchtiges Gut auch in der Religion
SALZBURGER HOCHSCHULWOCHE
29/07/15 „Abscheulichkeiten, fundamentalistische Bestrebungen, Leben im Namen Gottes zu vernichten“ machten Humanität heute zu einem flüchtigen Gut, so der Salzburger Erzbischof Lackner: „Prekäre Humanität“ ist ja diesmal Thema der bis Sonntag (2.8.) dauernden theologischen Veranstaltung.
„Hier könnte und müsste das Christentum, in dessen Zentrum die Menschwerdung Gottes steht, die Menschheitsgeschichte fortschreiben“, so der Salzburger Erzbischof. Freilich seien auch Kirchen und religiöse Gemeinschaften nicht vor Inhumanität gefeit.
Auf die Aktualität des Themas verwies im Gespräch mit der Kathpress auch der Obmann der Hochschulwochen, der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff. Sei es der Anschlag auf die französische Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ vom heurigen Jänner, sei es die aktuelle Flüchtlingskrise, Gewalt im Nahen Osten oder die Frage, ob es Europa gelingt, Griechenland zu stützen: „All dies zeigt, dass wir heute mehr denn je herausgefordert sind, politisch, ökonomisch und gesellschaftlich neu zu bestimmen, was Humanität eigentlich ausmacht“. Als „prekär“ gestalte sich dabei nicht zuletzt der Blick auf die Religion selbst: So könne diese zwar Quellen der Humanität freilegen und neu ins Bewusstsein rufen, dies jedoch nur, wenn sie sich der „eigenen Problemgeschichte“ bewusst werde, die Terror und Gewalt im Namen Gottes und damit letztlich Inhumanität beinhalte.
Hans-Joachim Höhn in seinem ersten Vortrag: Diese Gefahr eines Missbrauchs religiöser Begründungsmuster zur Legitimation inhumaner Gewalt sei heute aktueller denn je. Der Kölner Theologe verwies auf den IS-Terror. Wo sich dieser einer religiösen Semantik bediene, würden „alle humanen Zusammenhänge zur Disposition gestellt“. „Wir können nicht über den Beitrag von Religionen zur Humanität diskutieren, wenn wir nicht zuvor überlegen, wie wir ausschließen können, dass sie zur Quelle höchstmöglicher Inhumanität werden.“
Für die Theologie bedeute dies den Aufruf zu einer säkularen Selbstbescheidung. Man müsse etwa die religiös-theologische Angewohnheit ablegen, von einer prinzipiellen „religiösen Zuständigkeit für die Begründung moralischer Normen und des menschlichen Sollens“ auszugehen. Laufe dies nicht letztlich auf eine „gottlose Moral“ hinaus? Eine durchaus selbstkritische Antwort des Theologen: „Ja. Es braucht Gott nicht, um moralisch zu handeln - ebenso wie es keine Bosheit unter den Menschen gibt, die nicht gesteigert werden könnte, wenn man zu ihrer Ausführung noch religiöse Motive anführt.“
Dies sei gewiss eine irritierende These, so Höhn, da dies „gegen fromme Denkgewohnheiten“ verstoße. Zugleich sei eine solche theologische Selbstbescheidung notwendige Voraussetzung, um einen neuen Zugang zum Zusammenhang von Gott und Welt zu gewinnen.
In den Vorträgen, Workshops, Diskussionsrunden und einem umfassenden auch spirituellen Rahmenprogramm werden bei der Salzburger Hochschulwoche wieder rund achthundert Besucher erwartet. Weitere Vortragende dieser Tage sind der Berliner Philosoph Volker Gerhardt, der Berliner Wissenschaftshistoriker Jürgen Renn und die in Bonn und Leuven lehrende Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher.
Der im Rahmen der Hochschulwochen alljährlich vergebene „Theologische Preis“ geht heuer an die deutsche Orientwissenschaftlerin Angelika Neuwirth, die an deutschen und internationalen Universitäten (Italien, Iran, Israel) lehrte und seit 2007 Leiterin des Projekts Corpus Coranicum an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ist. Mit ihren Forschungen fordere die an der Universität Berlin lehrende Orientwissenschaftlerin „die kulturelle Hermeneutik und die historische Diskursivität christlicher Theologien auf eine besondere Weise heraus“, heißt es in der Begründung der Jury. Als Beispiel für die Relevanz von Neuwirths Arbeit für die christliche Theologie nennt die Jury die Wechselwirkungen zwischen Koran und christlicher Spätantike.
Ein eigenes Begleitprogramm speziell für Studierende stellt darüber hinaus die zeitgleich stattfindende „Salzburger Religionstriennale“ dar: In Kooperation mit dem Fachbereich "Systematische Theologie" der Universität Salzburg arbeiten zwanzig junge Wissenschaftler aus ganz Europa zu Fragen aus Religion, Kultur, Politik und Identität. Es habe angesichts der Fragen der Humanität auch eine besondere "Symbolkraft", so Gregor Maria Hoff, dass auch Studierende aus Russland und der Ukraine angereist sind. Es sei nicht zuletzt diese Internationalität der jungen Nachwuchswissenschaftler bei der „Religionstriennale“", die den Hochschulwochen ein europäisches Profil gäben. Das Thema der Religionstriennale: „Religionskulturen: Zivilisierung und Humanität im Zeichen der monotheistischen Religionen“. (Kathpress)