Marktfrau, Henker, Rittersmann
ZEHN JAHRE HAUS DER STADTGESCHICHTE / FESTWOCHE
20/09/13 Dass die Nazis Salzburg umbauen, das Kapuzinerkloster verschwinden und die Festung klein ausschauen lassen wollten, weiß man. Im „Haus der Stadtgeschichte“ kann man im Rahmen der Festwoche zum zehnjährigen Bestehen direkt im „Bauaktenspeicher“ die monströsen Pläne betrachten.
Von Heidemarie Klabacher
Das Tagebuch des Salzburger Schaftrichters von 1757 bis 1817 (irgendwann wurde der Henker alt und musste zu oft mit dem Richtschwert zuschlagen) wird ebenfalls zu sehen sein – aufgeschlagen bei der liebevoll kolorierten Titelseite. Weniger blutig ist da schon der elegante Adelsbrief für Sigmund Haffner aus dem Jahr 1782, zu dessen Verleihung Mozart die gleichnamige Symphonie komponieren hat müssen. All das erzählte Peter Kramml, der Leiter des Stadtarchivs, heute Freitag (20.9.) bei der Präsentation des Programms zur Festwoche „Zehn Jahre Haus der Stadtgeschichte“.
Von 23. bis 27. September gibt es eine Ausstellung im Foyer des Hauses. Im NonStop-Kino werden u. a. einige der sensationellen historischen Fotographien aus der Sammlung von Carl von Frey gezeigt: Dieser Carl von Frey habe sofort zum Fotoapparat gegriffen, wenn im Salzburg der Jahrhundertwende vom geplanten Abriss eines alten Gebäudes, einer Tor- oder Befestigungsanlage auch nur die Rede war. Die einzigartige Sammlung 1300 Glasplattennegativen ist wohlverwahrt und in gutem Zustand in einer Gartenhütte des „Freyburg“ am Mönchsberg gefunden worden. Es gibt ein Foto von Carl von Frey als „Ritter“ verkleidet vor dem eigenen Schloss. Fotografiert hat er freilich mit dem Modernsten, was seine Zeit zu bieten gehabt hat. Seinem Sinn für die Bedeutung der Dokumentation alter Bauwerke, aber auch des Alltagslebens in Salzburg, verdankt das Stadtarchiv nun einzigartige Einblicke. Ein Foto von der Stadtmauer vor dem damaligen Stadttheater und das alte Stadttheater selbst, aufgenommen vom mittelalterlich anmutenden Holzmarkt auf dem Makartplatz aus – sensationell. Carl von Frey hat die Aufnahme am 11. April 1892 gemacht, am Tag der Letzten Aufführung im Stadttheater, einen Tag vor dem Abriss.
Diese Fotoschau also ist die ganze Festwoche hindurch zu sehen. An zwei Tagen heißt es "Speicher auf": Am 24. September werden die wertvollsten Schätze des Stadtarchvies gezeigt und die Restaurierwerkstätte geöffnet. Am 27. September werden im Bauaktenspeicher die Pläne Otto Strohmayrs für das geplante Nazi-Salzburg gezeigt.
Ein paar Zahlen zum „Haus der Stadtgeschichte“: Die Archivspeicher beinhalten auf vier Ebenen und auf 14 Kilometer Regal-Stellflächen Archivalien aus neun Jahrhunderten, rund 25.000 Bücher und Zeitschriften sowie 800.000 historische Bilddokumente. Rund 200.000 Verwaltungsakten sind in den vergangenen zehn Jahren neu ins Haus gekommen. Rund 20.000 Einzelpersonen haben die Archivbestände benutzt; rund 5000 Fragen wurden schriftliche Beantwortet, 62 neue Bücher zur Stadtgeschichte bzw. Publikationen der Stadtstatistik sind erschienen.Mehr als 250 Einzelpersonen und Institutionen haben in den vergangenen zehn Jahren die Sammeltätigkeit des Hauses unterstützt und zeitgeschichtlich bzw. kulturhistorisch wertvolle Bestände zur Verfügung gestellt, wie etwa das Fotoarchiv Franz Krieger mit 35.000 Negativen, das Archiv des Karl-Steinocher-Fonds oder die Urkunden- und Siegelsammlung der Freyburg sowie die Glasplattensammlung des Carl von Frey.
Ausstellungsthemen seit 2003 waren etwa Salzburger Fotografien 1880 bis 1918 aus dem Fotoatelier Würthle; Frauen in der Stadtpolitik; Max Otto: Salzburgs Türme; Alte Handwerkskunst und moderne Technik; Menschen.Bilder. Johann Barth sieht Salzburg 1950–1975; Anziehende Ausstellung. Zur Kulturgeschichte der Frauenunterwäsche; Rosa Kerschbaumer, erste Ärztin Österreichs; Der Salzburger Pressefotograf Franz Krieger oder 100 Jahre elektrischer Stadtverkehr.
Das Großprojekt „Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus“ seit 2009 hat einen besonderen Stellenwert, setzte sich die Stadt Salzburg erstmals in einem groß angelegten Projekt mit ihrer Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus auseinander, so Stadtarchivleiter Peter Kramml.
Zehn Jahre Haus der Stadtgeschichte – das Programm zum Download
Bilder: dpk-klaba (4); Stadt Salzburg (1)