Absichtliche und unabsichtliche Vorbilder
PÄDAGOGISCHE WERKTAGUNG
10/06/13 „In der Geschichte sind Vorbilder vorwiegend mit Autorität aufgetreten“, so Ursula Frost, eine Kölner Erziehungswissenschaftlerin und Theologin. „Im Laufe der Jahrhunderte gab es jedoch einen Bedeutungswandel von der Angleichung und der Imitation zu einer vernünftigen Selbstbestimmung.“
Ursula Frost referierte am Dienstag (9.7.) bei der 62. Internationalen Pädagogischen Werktagung in der Großen Aula über die Bedeutung von Vorbildern in Geschichte und Gegenwart. Die Einsicht, dass Kinder Vorbilder brauchen, sei ebenso alt wie umstritten. Betrachtet werden müsse dabei die tatsächliche Wirksamkeit von Modellen in Lern- und Entwicklungsprozessen, betont die Kölner Professorin. In der Jugendrevolte ab 1968 kam auch in der erziehungswissenschaftlichen Praxis das Vorbild zum Erliegen „Das Motto 'Jeder ist sein eigenes Vorbild' findet in dieser Zeit eine Zuspitzung – die Selbstverwirklichung ist der zentrale Gedanke.“
Die Vorbilder sind jedoch wiedergekehrt, wenn auch in anderer Form. „Heute gibt es eine neue Unübersichtlichkeit an Vorbildern, wobei die Werbung, die unablässig Muster produziert, hier einen bedeutenden Anteil hat.“ Für Erzieherinnen und Erzieher sei, so Ursula Frost,wichtig zu bedenken: „Wir sind im Wesentlichen Vorbilder in dem, was wir unabsichtlich tun.“
Die Soziologin und Jugendforscherin Natalia Waechter thematisierte in ihrem Vortrag die Faktoren, die beim Hineinwachsen junger Menschen in die Gesellschaft maßgeblich beteiligt sind. „Nach wie vor ist es so, dass die Mutter und der Vater die wichtigsten Vorbilder sind“, meint Waechter. Jedoch nehme die Bedeutung von Familie und Schule für die Sozialisation ab, während der Einfluss von Medien und Gleichaltrigen zunehme, so die Wiener Soziologin. Dabei spielten Jugendkulturen, die von Gleichaltrigen und Medien getragen werden ,eine besondere Rolle. Denn einerseits leisteten Jugendkulturen einen wesentlichen Beitrag zur Identitätsentwicklung von Jugendlichen, andererseits würden sie durch ihre raschen Veränderungen der heutigen Forderung nach Flexibilität gerecht.
Ob und welcher Jugendkultur sich junge Menschen anschließen, werde auch von der sozialen Herkunft bestimmt. Allerdings sei dies, wie Natalie Waechter hervorhob, gegenwärtig offener als in früheren Jahren. Zudem sei es heutzutage durchaus möglich und üblich, dass sich Jugendliche in mehreren „Szenen“ bewegen. (IPW)