(Über)LebenskünstlerInnen
ARGE KULTUR / OPEN MIND FESTIVAL
24/10/12 Das „Open Mind Festival“ – das ist jenes Aushängeschild, in dem die ARGEkultur ihre gesellschaftspolitisch-künstlerische Wimpel besonders hoch hinaufzieht am Mast. „Für uns der wichtigste Programmpunkt im Jahr“, bekräftigte Markus Grüner bei der Präsentation des Programms.
Von Reinhard Kriechbaum
Zum vierten Mal findet das „Open Mind Festival“ statt, von 15. bis 25. November. „überLeben“ ist diesmal das Thema in einem Veranstaltungsbündel, mit dem man – so ARGEkultur-Leiter Markus Grüner – nicht zuletzt die Spartenvielfalt im Haus herausstellt. Migranten, Künstler, Sexarbeiterinnen (jeweils politisch korrekt natürlich auch in der anderen Gender-Form gemeint): Man ortet viele gesellschaftliche Gruppen, die tief verstrickt sind in tägliche Existenzkämpfe. „Der Kunst kommt dabei seit jeher eine besondere Rolle zu“, schreibt die festival-Kuratprin Cornelia Anhaus in der Programm-BVoschüre, deren attraktiver Hochglanz-Magazincharakter in eigenartigem Gegensatz steht zu Motto und Inhalt der mit selbstauferlegten subversiv-gesellschaftspolitischen Bedeutung aufgeladenen zweiwöchigen Veranstaltungsreihe. Der Kunst also kommt eine besondere Rolle zu, "sowohl wegen ihres Aspekts der Unvergänglichkeit als auch aufgrund ihrer lebenserhaltenden Funktion; nicht zuletzt sind die ‚ÜberlebenskünstlerInnen‘ die nun großteils unfreiwillige Bohème des Turbokapitalismus und seiner Folgen, die auch vor der Mozartstadt nicht Halt machen.“
Erstmals kooperiert die ARGEkultur als Produktionshaus mit dem Wiener Theater Garage X: „Für mich erste Wahl, weil es eines der spannendsten Off-Theaterhäuser in Österreich ist“, erklärt Cornelia Anhaus. „Karte und Gebiet“ wird die szenische Produktion heißen, die ihre Uraufführung am 15. November in Salzburg erlebt (und ab 21. November in Wien zu sehen sein wird). Es ist eine Fassung des Romans von Michel Houellebecq, für den der Autor den Prix Goncourt bekommen hat. „Karte und Gebiet“ sei „Künstlerbiographie, Kriminalgeschichte und Utopie gleichermaßen“, erklärt Cornelia Anhaus – und wie sie das beschreibt, scheint es eine Art postmoderne Kreisleriana zu sein.
Nicht ganz leicht abzuschätzen, wie die Indierock-Kultband „Vierkanttretlager“ (zu Gast am 15.11.) zum Thema passt. Die Gruppe von Zwanzigjährigen scheint das Überleben jedenfalls gut im Griff zu haben, so wie auch „Stereo Total“ und „Peaches“, die gemeinsam mit Sawoff Shotgun und Sunae Solar einen Abend unter dem Titel „Die Frau in der Musik“ beitragen werden (am 24.11.).
Die Salzburger Choreographin Lisa Hinterreithner, authentisch in diesem Festival platziert als eine, die im lokalen künstlerischen Überlebenskampf auch immer irgendwie obenauf bleibt, lässt eine Performance unter dem Titel „Posters“ wachsen. Was da gemeinschaftlich mit den Teilnehmern entstehen könnte, was man sich unter „Choreographieren auf einem Blatt Papier“ wirklich vorstellen kann? „Julius Deutschjbauer, Lisa Hinterreithner, Andrea Maurer, Linda Samaraweerowa und Doris Stelzer verschieben ihre Spielfläche aufs Papier und schreiben Performances in Poster ein.“ Die Präsentationen (16./20.11.) finden bei freiem Eintritt im Studio der Tanzwissenschaft in der benachbarten Universität statt.
Lesungen, Diskussionen und anderes Anregendes: Wer mittut, werde am meisten profitieren – so Markus Grüner zur erhofften Nachhaltigkeit des Open Mind Festivals. „Kultur ist die Möglichkeit, Dinge sichtbar zu machen.“ Die „Ganzjahresarbeit“ machten ja die Kooperationspartner. Eine einzelne künstlerische Produktion wäre mit dem lokalen Weltverbesserungsanspruch wohl überfordert. Einer der Tricks ist, mit musikalischen Lockvögeln und Hinweisen auf konkrete soziale Gegebenheiten Aufmerksamkeit für sensible Themen zu wecken. Die „Peaches“ und Hinweise auf Sexarbeiterinnen in Salzburg – das ist so ein Beispiel.
Das Open Mind Festival im Vorjahr zum Thema „Frei von Schuld(en)“ fand, so schätzt man bei der ARGEkultur, rund 1.500 Besucher. Mit 50.000 Euro ist es der finanztechnisch größte Brocken, den die ARGEkultur in ihrem Jahresbetrieb stemmt.