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Adieu, Mittelbahnsteig!

REPORTAGE / HAUPTBAHNHOF / JUGENDSTIL (1)

27/06/12 Dieser Tage erscheint im Verlag Pustet das Buch „Der neue Salzburger Hauptbahnhof“. DrehPunktKultur hat sich aus diesem Anlass mit der Kunsthistorikerin Jana Breuste auf Spurensuche nach dem alten Bahnhof gemacht.

Von Reinhard Kriechbaum

Stimmt schon. Der Bahnhof lässt sich sehr gut als Musterbeispiel für bewahrte alte Substanz verkaufen. Auf den ersten Blick hin jedenfalls. Die Halle ist ein rechtes Schmuckstück geworden, nachdem hinter den Reklame-Pannelwänden wieder die Fliesenbilder aufgetaucht sind, von denen die meisten gut erhalten und bestens restauriert sind,. Otto Barth, Hans Prutscher, Hans Wilt und Hubert von Zwickle waren die Künstler, die Salzburger Stadt- und Landschaftsmotive so raffiniert auf Keramik gebannt haben, dass einige Bilder beinah impressionistisch gemalt wirken. 1,6 bzw. 2 m² sind diese Bilder groß, schon die kleineren Wappenbilder bestehen aus 72 Einzelfliesen.

Leider ist gerade das Bild von der Festung nicht erhalten. Beim wohlgemeinten Versuch, es abzunehmen und so zu retten, ist es vor Jahrzehnten schon zerstört worden. „Für die Plakat-Verschalungen hat man dann bis zu neun Löcher in die Fliesenbilder gebohrt“, weiß Jana Breuste. Nicht nur ihr als Kunsthistorikerin mit Faible für den Jugendstil blutet bei dem Gedanken das Herz.

Was ist nun überhaupt noch erhalten vom Jugendstil am Bahnhof? Diskutiert wurde in der Vorphase des Um- und Neubaus ja vor allem über das Restaurant, den Marmorsaal. Gegangen wäre es aber um den Mittelbahnsteig als Ganzes. Der wurde zwar „inklusive der Hochbauten“ (und inklusive Restaurant) im April 1998 eilends unter Denkmalschutz gestellt, aber im November des gleichen Jahres wurde der Wettbewerb ausgeschrieben „ohne Berücksichtigung, dass es denkmalschützerische Auflagen gibt“, klagt Jana Breuste. Während sich beim Hauptgebäude alle klar waren über die schützenswerte Bausubstanz, fehlte es hinsichtlich des Mittelbahnsteigs damals noch am Wissen. „Eigentlich hätte die Jugendstil-Erforschung viel früher einsetzen müssen“, sagt Jana Breuste, denn „wie sollte man die Denkmalwürdigkeit feststellen, ohne Konkretes zu wissen darüber“?

Nun suggeriert die – erhaltene und restaurierte – Stahlhalle, dass das Wesentliche erhalten sei. Das sieht die Jugendstilforscherin Jana Breuste entschieden anders. „Die beiden Hallenteile sind zusammengerückt, es fehlen das Zentralgebäude und auch die Seitenhallen.“ Bestenfalls ein Jugendstil-Relikt also.

Was wäre das eisenbahnhistorisch Besondere gewesen? Jana Breuste hat viel geforscht in Sachen Bahnhofsarchitektur. Der Mittelbahnsteig, wie er am Salzburger Bahnhof (und auch in Bischofshofen) bestanden hat, bot für Jahrzehnte eine praktikable Möglichkeit, Fern- und Nahverkehr miteinander zu verschränken. Durchzugsgeleise an den beiden Seiten, dazwischen Geleise nach Art eines Kopfbahnhofs: „Das ermöglichte den Reisenden ein praktisches Umsteigen auf einer Ebene, ohne Stiegensteigen zu müssen.“ Die Rolltreppe war schließlich noch nicht erfunden.

„Verbundbahnhof ist der Fachbegriff für diese Komnbination aus Insel- und Durchgangsbahnhof“, erklärt Jana Breuste. So etwas gab es beispielsweise in Düsseldorf, Köln und Straßburg. Dort sind die charakteristischen Mittelbahnsteige längst zerstört, und auch in Erfurt, dem letzten derartigen Bahnhof in Deutschland, ging es der alten Substanz 2001 endgültig an den Kragen – zugunsten der ICE-Streckenführung. Jana Breuste nennt das schlicht und pointiert „Denkmaltötung“. In Bischofshofen hat man dem – bis dahin ebenfalls  erhaltenen – System Verbundbahnhof 2003 den Garaus gemacht. Und so gibt es laut Breuste „im gesamten deutschen Sprachraum meines Wissens nur noch einen einzigen originalgetreu erhaltenen Mittelbahnsteig: im steirischen Selzthal“. Der Architekt in Selzthal und Salzburg war übrigens derselbe: Johann Granichstaedten. (Wird fortgesetzt)

Jana Breuste ist eine der Autorinnen für das dieser Tage bei Pustet erscheinende Buch „Der neue Salzburger Hauptbahnhof“ (Hrsg. Roland Gobiet). – www.pustet.at
Bilder: dpk-krie
Zur Reportage  Was noch da ist und was fehlt (Teil 2)
Zum Porträt Jana Breuste Jugendstil und Salzburg?
Zum Kommentar Verschenkt: Bahnhof mit Festungsblick
Zum Hintergrund-Text Wie es zur Abrissbirne kam

 

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