Sentimentaler Geburtstagsnachruf
30 JAHRE ARGE RAINBERG
25/05/11 Ältere Semester erinnern sich an das romantisch-verwilderte Idyll „Kulturgelände Nonntal“. Aufgeschlossene Professoren sind damals mit ihren brav kritischen Studenten zum Semester-Ende dahin auf ein Bier gegangen. Und alle haben es genossen, nach erfüllter Pflicht, im Herzen der Alternativen Szene - im Auge des Taifuns des Anti-Establishments - zu sitzen.
Von Heidemarie Klabacher
Vom Flair des Aufmüpfigen, ja Anrüchigen - das sich nach Außen hin im so gar nicht gepflegten Gastgarten des legendären Beisels manifestiert hat - ist im Jubiläumsjahr 2011 nichts mehr übrig.
Dort, wo ungefähr die „alte“ ARGE seligen Angedenkens war, stehen heute gefällige organge-schwarze Wohnblocks, deren Bewohner nichts zu verbergen haben (dürfen), weil die Architekten die Terrassen bis an den Straßenrand gezogen haben. Überhaupt die Straße. War der Radweg am „Kulturgelände Nonntal“ vorbei zu den Plattenbauten in der Akademiestraße überhaupt asphaltiert? Oder ist das jetzt Verklärung… Das Foto nebenann ist jedenfalls erst aus 2003.
Die desolaten Institutsgebäude sind ja jetzt auch bald Geschichte. Sie haben zwar länger durchgehalten, als das „Kulturgelände Nonntal“, werden aber nach dreißig Jahren Dienst als treue - wenn auch nicht immer wasserdichte - Provisorien mit Ende des Sommersemester 2011 endgültig dicht gemacht. Die ARGEkultur selber ist ohnehin schon vor Jahren als etablierter Verwalter des Widerständigen in ein modernes sauber gestyltes funktionelles Gebäude auf einer ganz neuen Straße neuen Ufern entgegen gezogen. Nicht weit weg, trotzdem eine in andere Welt. Ältere Semester werden immer den verwilderten Gastgarten vor Augen haben… Dabei war das „Kulturgelände Nonntal“ gar nicht der Anfang.
„Anfang der 80er Jahre war Salzburg im Umbruch. Engagierte und gesellschaftspolitisch motivierte Menschen wollten diese Stadt nachhaltig verändern und sie zu einer Stadt machen, die auch ihren Bedürfnissen Raum zur Entfaltung geben konnte. Diese Menschen erlebten Salzburg als einen konservativ geprägten Ort, dessen kulturelle Identität fast ausschließlich von Karajans Festspiele dominiert wurde. Raum für Anderes war nicht vorhanden, nicht geplant und nicht erwünscht. Gegen diese Haltung entwickelte sich Widerstand.“ Das schreibt die ARGEkultur zum Jubliäum „30 Jahre ARGE Rainberg“, das von Donnerstag (26.5.) bis Samstag (28.5.) gefeiert wird mit Lesung, Film, Konzert und Fest.
„Im November 1981, also vor gut 30 Jahren, wurde der Verein ‚ARGE Rainberg’ gegründet. Ein weitläufiges Areal am Fuße Salzburgs südlichstem Stadtberg war die Manifestation einer Sehnsucht, die sich nie erfüllen sollte. Doch einige der Ideen wurden weiter betrieben, verstreut über die Stadt, manifestierten sich in Kulturhäusern und Vereinen, und artikulierten sich durch Initiativen und KünstlerInnen. Nicht zuletzt ist diese die Suche nach einer kulturellen Identität abseits der Festspiele auch der Ursprung der ARGEkultur.“
Hermann Peseckas, Piet Six und Markus Grüner-Musil haben, in Koproduktion mit „studio west“, mit dem Dokumentarfilm „Up to nothing“ die „Geschichten und Mythen der Gegenkulturen in Salzburg“ aufgearbeitet. Sie erinnern an die „Bunten Demos“, an erste Zugeständnisse der Politik an die Alternativkultur, an Konflikte innerhalb der Bewegung und ihre Erfolge. Träger der Protestbewegung von damals, heute ebenfalls großteils „etabliert“, erzählen im Film.
„’nothing’ stand am Fuße der Wendeltreppe des Jugendkulturzentrum ‚Gegenlicht’, das im ersten Stock eines Gebäudes in der Griesgasse beheimatet war. Dieser einfache Wegweiser ist symbolisch für eine Bewegung, die vor allem ein Gefühl der Freiheit und der Selbstbestimmung in sich trug... Der Geist der Freiheit weht durch die Geschichten dieser Bewegung, oftmals auch wird die persönliche Faszination zum Gründungsmythos einer gemeinsamen Initiative, die es vielleicht in dieser Form gar nicht gegeben hat.“
Wenn die Träger der Verklärung sich der Verklärung bewusst sind, wird die Verklärung ja fast schon wieder zum Träger historischer Wahrheit…