Schindel, Blech, Sonnenkollektoren
HINTERGRUND / WELTERBE / PHOTOVOLTAIK
14/04/23 Jeder kennt den Blick von den Stadtbergen über die Dächer der Altstadt: Ein Meer aus Blech. Das war nicht immer so. „Original“ wäre für die charakteristischen Grabendächer eine Deckung mit Holzschindeln. Undenkbar, so etwas in der Altstadt wieder flächendeckend herzustellen.
Von Reinhard Kriechbaum
Wäre es aber denkbar, dass nach und nach das unansehnliche, aber uns vertraute Blech durch Sonnenlicht-Kollektoren ersetzt wird? Erneuerbare Energie ist schließlich in aller Munde. Das Anbringen von Photovoltaik-Paneelen auf Dächern in der Salzburger Altstadt ist durch das Altstadterhaltungsgesetz (AStEG) geregelt und eingeschränkt. Derartige Genehmigungspflichten im Sinne des Ortsbildschutzes gibt es in vielen Gemeinden.
Für Salzburg gilt es zudem die spezielle Bauweise von Dächern zu berücksichtigen, wie sie für die Städte entlang der Salzach und des Inns typisch ist.
Grabendächer ist der terminus technicus dafür: Fassaden und Seitenwände sind hochgezogen, dahinter laufen mehrere parallell angeordnete, niedrige Satteldächer rechtwinkelig zu den Gassenfronten. Solche Konstruktionen machten zwar vergleichsweise auffällige Regenrinnen entlang der Fassaden notwendig, aber die Dachkonstruktion selbst war und ist dank der Kleingliedrigkeit vergleichsweise einfach zu handhaben. Schindeln konnte man ohne gefährliche Balance-Akte erneuern. Ein solches „versenktes“ Holzdach bot wegen des seitlich hochgezogenenen Mauerwerks an jedem Gebäude auch im Brandfall Vorteile. Das Feuer sprang nicht ganz so schnell aufs Nachbarhaus über.
Längst sind Schindeldächer obsolet (auch aus Kosten- und Wartungsgründen). Wer von der Festung oder vom Kapuzinerkloster talwärts blickt, sieht eine unansehnliche Blechwüste. Zwar neigen sich die Dachschrägen der wenigen erhaltenen Grabendächer in Salzburg mehrheitlich in Ost- und Westrichtung, aber Solarpaneele wären wohl trotzdem gut handhabbar, auch von den Dimensionen her. Sichtbar wären sie tatsächlich nur von der Festung und den Stadtbergen aus, nicht von Straßenniveau.
Der Salzburger Stadtverein, einer der Lordsiegelbewahrer des Altstadtschutzes, hat sich dieser Tage in einer Presseaussendung bemerkenswert offen geäußert. Die gänzliche Verhinderung von Photovoltaikanlagen sei „nicht sinnvoll, zumal auch seitens der UNESCO eine grundsätzliche Ablehnung in Welterbe-Schutzgebieten nicht befürwortet“ werde, schrieb der Stadtvereins-Vorsitzende Wolfhart Fally. „Aspekte des Klimaschutzes und der erneuerbaren Energiegewinnung sind zu berücksichtigen. Auch die Entwicklung neuer Materialien wie PV-Folien oder PV-Dachziegel sollte berücksichtigt werden.“
Der Stadtverein empfiehlt, wie auch bei anderen baulichen Veränderungen in der Schutzzone, üblich, eine Einzelfallprüfung durch die Sachverständigen Kommission (SVK) oder die zuständige Ortsbildschutzkommission. „Dabei ist die Integrität der gewachsenen Dachlandschaft zu berücksichtigen, das geschützte kulturelle Erbe darf nicht gefährdet werden.“
Die Gefahr von Sonnensegel-Wildwuchs, der zu Geblende auf den Dachschrägen führte, ist dem Stadtverein natürlich bewusst. Deshalb die Anregung, Solarpaneele doch entlang der Lärmschutzwände im ganzen Bundesland anzubringen. Von der dort generierten Energie könnten schließlich auch die Bewohner von denkmalgeschützten Bauten in optisch sensiblem Umfeld profitieren.
Der Großteil der Lärmschutzwände entlang von Straßen und Bahnlinien sei für die Errichtung von PV-Paneelen geeignet, mutmaßt der Stadtverein. „Eine neu zu gründende Trägerorganisation – wie etwa eine beim Land angesiedelte Trägergesellschaft oder auch eine Genossenschaft – könnte Strom erzeugen und in das öffentliche Netz einspeisen. Dieser Strom könnte den Eigentümern und Mietern von Objekten in Schutzgebieten, die sich an dieser Trägerorganisation direkt beteiligen, zu einem günstigeren Tarif zur Verfügung gestellt werden. Eine derartige Konstruktion würde die notwendige nachhaltige Energie-Versorgung von Objekten in der Altstadt von Salzburg bzw. in anderen Schutzgebieten unterstützen, die Dachlandschaft vor unerwünschten Eingriffen bewahren und einen Beitrag zum nachhaltigen Klimaschutz leisten.“
Bild: dpk-krie