Die Gesundheitskrise darf keine Kulturkrise werden
HINTERGRUND / CORONA
21/01/21 Am Dienstag (19.1.) waren Vertreterinnen und Vertreter autonomer Kulturinitiativen zu einem Gespräch mit Vizekanzler Werner Kogler (der ja auch Kultur-Minister ist) und Kunst- und Kulturstaatsekretärin Andrea Mayer eingeladen. Ein digitaler runder Tisch. Auch der Dachverband Salzburger Kulturstätten war vertreten.
Bei dem virtuellen Treffen, an dem auch 25 Leute aus den Bundesländern teilnahmen, ging es erstmals – ja wirklich: auf dieser ministeriellen Ebene im neunten Corona-Monat zum ersten Mal! – explizit um die Auswirkungen der Einschränkungen auf kleine und mittelgroße Kulturinitiativen.
Eine Teilnehmerin aus Salzburg war Karin Bitterli, Co-Leiterin des Toihaus. Sie beschrieb anschaulich das erhöhte Arbeitsaufkommen und damit verbunden das Nicht-Greifen von Unterstützungsmaßnahmen: „Wir haben trotz Corona-tauglicher Konzepte von 119 vorgesehenen Aufführungen nur neun spielen können. Wenn wir ab 1. März öffnen wollen, bedeutet das jetzt den vollen Probenbetrieb, volle Organisation, mehr Kommunikationsarbeit, mehr Administration, mehr Aufwand. Wir müssen auf alles vorbereitet sein. Da gibt es keine Kurzarbeit, weil wir einfach viel mehr zu tun haben als sonst.“
Hannah Crepaz ist künstlerische Leiterin des Osterfestivals in Tirol. Auch sie musste bereits mehrmals verschieben und gabt zu bedenken: „Mit einer Vorbereitungszeit von bis zu zwei Jahren ist eine kurzfristige Verlegung ein unglaublicher Aufwand. Unser bevorstehendes Festival mussten wir auf Juni verschieben, ins Unsichere hinein. Alle Menschen, die mit uns zusammenarbeiten, befinden sich in derselben Unsicherheit. Und wenn das Festival dann wieder nicht stattfinden kann? Etwas abzusagen bedeutet viel mehr Arbeit als etwas entstehen zu lassen und es umzusetzen.“
Ein Lockdown bedeutet für Kulturveranstaltende und -produzenten also keineswegs ein Niederlegen der Arbeit. Das Gegenteil ist der Fall. Fehlende Planungsperspektiven und zu kurzfristig angesetzte Maßnahmen nannten die am Gespräch Beteiligten als besonders drückend. Im Fokus des Gesprächs mit dem Kulturminister und der Staatssekretärin stand für die IG Kultur also, einen konkreten Einblick in die Arbeitsbedingungen von kleinen Kulturvereinen und mittelgroßen Kulturbetrieben zu geben. „Sie sind es, die mit ihrem breiten Spektrum die große Vielfalt unseres Kulturlebens aufspannen“, so Gimpel. „Auch sie brauchen praxisnahe Regelungen für den Neustart, die umsetzbar sind und die unterschiedlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen, etwa von Kulturinitiativen im ländlichen Raum.“
Ein zentrales Anliegen stellt neben der raschen Umsetzung bestehender Fonds die Nachbesserung der Unterstützungsmechanismen für gemeinnützige Kulturvereine dar. Corona bedeutet für Kulturinitiativen zusätzliche Investitionen und mehr Arbeitsaufwand, der unabhängig vom Einnahmenausfall anfällt – Mehrkosten, die bislang von keinem Fonds abgedeckt werden. „Die Konsequenz ist“, erläutert Yvonne Gimpel, „dass umsonst gearbeitet wird und das im doppelten Sinne: Es wird unbezahlt gearbeitet, da der Betrieb anders nicht aufrecht zu erhalten ist und jahrelange Aufbauarbeit sich in Luft auflösen würde. Das verschärft die ohnehin prekäre Situation der Kulturvereine und treibt Menschen in die Armut. Und umsonst auch, wenn situationsbedingt neuerliche Schließungen und Veranstaltungsabsagen erforderlich sind.“ Um dem Kulturauftrag weiterhin nachkommen zu können, brauche es laut IG Kultur für gemeinnützige Kulturvereine dringend Nachbesserungen beim NPO-Fonds beziehungsweise einen alternativen Lösungsansatz für den erhöhten Personalkostenaufwand.
Trotz angespannter Lage angesichts jüngst notwendiger Lockdown-Verlängerungen wertet Yvonne Gimpel von der IG Kultur Österreich diesen Austausch mit Werner Kogler und Andrea Mayer am vergangenen Dienstag als „ein offenes und wertschätzendes Gespräch“. Entscheidend sei nun, gemeinsam mit Bund und Bundesländern unter Einbindung der Interessenvertretungen an konkreten Lösungen weiter zu arbeiten. Außer Zweifel steht für die Interessenvertretungen, den Gesundheitsschutz auch weiterhin zu priorisieren. „Wir müssen aber parallel daran arbeiten, dass die Gesundheitskrise nicht zu einer veritablen Kulturkrise wird“, so erläutert Yvonne Gimpel. (IG Kultur/Dachverband)