Was alles auf der Strecke bleibt
LOCKDOWN / DIE SALZBURGER LEERSTELLEN
02/11/20 Der Sensenmann schlägt zu: Dialoge Festival. Heidi-Premiere. Verschiebung der Verschiebung des Eröffnungskonzerts der Camerata Salzburg... Der zweite Lockdown fällt mit November in ein besonders reiches Veranstaltungsmonat. Viele Absagen treffen bereits schon einmal verschobene Konzerte.
Von Heidemarie Klabacher
Die Camerata Salzburg hat besonderes Pech: Saisoneröffnung in Salzburg mit dem Pianisten Johannes Piirto (der für Helene Grimaud eingesprungen ist, die wegen Corona nicht reisen kann) unter der Leitung des Geigers Giovanni Guzzo wäre am 2. Oktober gewesen. Der Termin wurde auf 13. November verschoben. Dieser Schwarze Freitag im November bringt eine neuerliche Absage (wenn auch auf der Website der Camerata momentan noch nichts davon geschrieben steht). Üblicherweise spielt die Camerata ihr Abo-Konzert im Großen Saal des Mozarteums zwei Mal, Freitag abends und Sonntag vormittags. In der laufenden Saison wird jedes Konzert drei bzw. viermal gespielt, um die Corona bedingte Beschränkung der Sitzplätze und die damit verbundenen Einbußen doch ein wenig abzufedern. Zumindest für das Eröffnungskonzert war die bisherige planende und organisierende Mühe umsonst.
Bei der Stiftung Mozarteum bleibt nicht nur der Liederabend der Sopranistin Elīna Garanča am Freitag (6.11.) oder das Nocturne Piano-Recital mit der Pianistin Isata Kanneh-Mason am 11. November auf der Strecke. Besonders betroffen ist das Festival DIALOGE von 20. bis 29. November, „das aufgrund der Umstände erstmals nicht stattfinden kann“, heißt es auf der Website. Um trotzdem in Dialog zu bleiben, werde das Festival „zumindest in reduzierter Form online mit dem Format Ortswechsel stattfinden“. Festival-Mitwirkende werden täglich „musikalische Highlights der Moderne präsentieren und diese über die digitalen Kanäle verbreiten“.
Nicht abgesagt, sondern gleich vorsorglich in den digitalen Raum verlegt worden ist das Open Mind Festival der ARGEkultur von 12. bis 21. November unter dem Motto Wem gehört die Welt? „Wir begreifen diese Entscheidung nicht als Verlust, sondern als Gewinn“, sagen die Festival-Verantwortlichen Theresa Seraphin und Sebastian Linz. Trotz widrigster Umstände gebe es Theater-Performances, Diskussionen, Lesungen und Musik. Das Publikum könne teilhaben, zusehen, zuhören, ins Gespräch kommen: „Darum ginge es analog - und darum wird es auch digital gehen.“
Alle Veranstaltungen im November sind abgesagt, heißt es kurz und bündig (und verbittert?, Anm.) auf der Webiste des Literaturhauses, darunter ein dickes rotes Kreuz mit Leider abgesagt drauf. Erstes namhaftes Opfer ist das 12. Krimi-Fest PENG von 5. bis 7. November. Noch ist von einem Ausweichen in den virtuellen Raum nicht die Rede.
Die Heimspiele des Mozarteumorchesters waren als frühsommerliches Corona-Ersatz-Programm nach dem ersten Lockdown gedacht. Das Format im Orchesterhaus ist gekommen, um zu bleiben – und fällt nun gleich einmal dem zweiten Lockdown zum Oper. Die drei Konzerte des Mozarteumorchesters im November werden abgesagt, die Sonntagsmatinee am 8., der Kammermusikabend im Orchesterhaus Viertel nach Acht am 12. und eben das Heimspiel am 18. November.
Bei den einzelnen Veranstaltern ähneln bei einander die Bekundungen des Bedauerns und die Bereitschaft, die Maßnahmen zu akzeptieren. „Wir respektieren die Entscheidung der Bundesregierung und werden unseren Teil dazu beitragen, dass sich die Entwicklung des Infektionsgeschehens bald umkehrt. Natürlich bedauern wir, dass wir nicht weiter für unser Publikum spielen können, zumal unsere Präventionskonzepte und die unserer Partner seit Juni einen sicheren Konzert- und Probenbetrieb gewährleistet haben“, sagt etwa Orchesterdirektor Siegwald Bütow. Das Mozarteumorchester werde auch im November „im Rahmen der Möglichkeiten künstlerisch arbeiten“ und die Ergebnisse der Öffentlichkeit zu präsentieren. „Wir hoffen, ab Dezember wieder für unser Publikum im Konzert und im Landestheater spielen zu können.“
Im Drei-Spartenhaus Landestheater bleiben – neben Repertoire-Vorstellungen etwa der Räuber oder der Blume von Hawaii – gleich mehrere Premieren in der Warteschleife: das Kindermusical Heidi oder Erich Kästners Der kleine Grenzverkehr in den Kammerspielen. Davon sind freilich bis Februar 2021 zwölf weitere Vorstellungen vorgesehen, die vier November-Termine lassen sich vermutlich anhängen. Ähnliches gilt für den Komödien-Klassiker Schöne Bescherungen, der am 22. November Premiere gefeiert hätte.Die nach der bejubelten Premiere am 31. Oktober nun entfallenden Termine der konzertanten Aufführungen Margarethe (Faust) werden wohl nachgeholt.
Bei der Kulturvereinigung ist die Zahl der betroffenen Konzerte ist eher klein, die Zahl der betroffenen Zuhörer dafür umso größer. Üblicherweise gastieren die Orchester in drei Zyklen von Mittwoch bis Freitag im Großen Festspielhaus vor jeweils 2200 Gästen. Für das Gastspiel des SWR Symphonieorchesters unter der Leitung von Manfred Honeck mit dem Pianisten
Jan Lisiecki von 11. bis 13. November war ein zusätzlicher vierter Termin (am Freitag Nachmittag) eingeplant worden, um auch hier die Corona bedingte Beschränkung der Sitzplätze doch ein wenig abzufedern.
Die Philharmonie Salzburg und die Kinderfestspiele verschieben ebenfalls alle Konzerte, die bis 30. November geplant waren. Und das sind eine ganze Menge, darunter auch mehrere bereits schon einmal verschobene Termine. Orchester- und Familienkonzerte sind ebenso darunter, wie das
Benefizkonzert der Hospiz-Bewegung Salzburg (das auf 9. Januar 2021 verlegt wurde). „Mir ist es ein großes Anliegen keines der Konzerte abzusagen“, betont Elisabeth Fuchs, Dirigentin und künstlerische Leiterin der Philharmonie Salzburg und der Kinderfestspiele. „Unsere professionellen Musikerinnen und Musiker verdienen nur, wenn wir proben dürfen und Konzerte spielen.“ In der neuerlichen Konzert-Zwangspause bekämen die Ausübenden „einen finanziellen Vorschuss“, erklärt Elisabeth Fuchs und betont: „Dies ist nur Dank unserer treuen Abonnentinnen und Besucher möglich!” Der erste abgesagte (und bereits auf 14. Jänner 2021) verschobene Termin betrifft Schumanns Rheinische & Mendelssohns Violinkonzert in der Reihe der Philharmonischen Konzerte im Kongresshaus am Mittwoch (4.11.)
Das Schauspielhaus Salzburg hat ebenfalls, neben den Repertoire-Vorstellungen zwei Premieren abzusagen, die dramatisierte Fassung von Kafkas Prozess auf der Jugend-Schiene, sowie die – ebenfalls schon einmal verschobene – Uraufführung von Michael Köhlmeiers Lamm Gottes.
Bild: Schauspielhaus Salzburg / Chris Rogl