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Sichere Bindungen schützen wie ein Regenmantel

INTERNATIONALE PÄDAGOGISCHE WERKTAGUNG

15/07/19 Rund sechshundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich in der Vorwoche mit dem Thema „Geborgenheit finden“ beschäftigt. Die diesmal dreitägige Internationale Pädagogische Werktagung ging am Freitag (12.7.) mit den Vorträgen von Karl Heinz Brisch und Anton Bucher zu Ende.

Von Ingrid Burgstaller

„Schon kleine Kinder suchen nach Sicherheit. Das Bindungssystem eines Menschen ist für seine gesunde körperliche, psychische und soziale Entwicklung von großer Bedeutung. Wenn Kinder emotional nicht gut versorgt werden, können sie nicht wachsen und gedeihen wie andere.“ Das betonte am Freitagvormittag der renommierte Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Karl Heinz Brisch. Der Inhaber des Lehrstuhls und Vorstand des Forschungsinstituts für Early Life Care an der PMU Salzburg referierte über „Bindung und Geborgenheit“. Er unterstrich, dass Geborgenheit und Sicherheit überlebensnotwendig seien. Sichere Bindungen seien Schutzfaktoren, so Brisch. Eine Art Regenmantel für die Seele.

Der Bindungsforscher erklärte weiters, dass es neben Eltern Personen wie Lehrerinnen und Lehrer oder Erziehende brauche, damit das Bindungssicherheitssystem aktiviert werde. Für Kinder seien sichere Bindungen wie Hafen, von dem aus sie die Welt entdecken können. „Sie sind neugierig und sie können lernen. Gedächtnis- und Sprachentwicklung, Lernleistung, Flexibilität, Kreativität – all diese Erfahrungen gehen viel besser. Die Kinder sind außerdem belastungsresistenter, können mit Stress besser umgehen. Und sie können empathisch sein.“ Prävention und frühe Unterstützung für Eltern seien besonders wichtig, wenn diese selbst traumatische Erfahrungen gemacht haben. „Damit sie mit ihren Kindern in einer sicheren emotionalen Beziehung bleiben.“

Anton A. Bucher, Universitätsprofessor für Religionspädagogik in Salzburg, skizzierte in seinem Referat, dass das Leben durch zwei fundamentale, gegensätzlich scheinende Bestrebungen geprägt sei. „Zum einen dadurch, hinauszugehen. Als Kleinkind das Gebüsch zu erkunden oder sich im Erwachsenenalter in die Öffentlichkeit stellen, etwas bewirken und schaffen. Zum anderen dadurch, sich zurückzuziehen – sich im Kindesalter unter eine Decke kuscheln oder die Zimmertüre hinter sich abschließen.“ Diese Bestrebungen würden nur scheinbar entgegenlaufen. „Die große Kunst des Lebens dürfte darin bestehen, das Gleichgewicht zu finden zwischen außen und innen, zwischen Vorpreschen und Rückzug.“

Bucher strich ebenfalls das Bedürfnis eines jeden Menschen nach Geborgenheit hervor: „Es dürfte schwierig sein, Menschen zu finden, die Geborgenheit negativ beurteilen und sich nicht nach ihr sehnen, und dies in jedem Lebensalter.“ Welches sind nun die Komponenten von Geborgenheit? Bucher nannte mit Verweis auf den deutschen Psychologieprofessor Hans Mogel als Antwort Sicherheit, Wohlfühlen und Vertrauen. Aber wo ist solche Geborgenheit zu finden? „Zum einen in uns selbst. Zum anderen im spirituellen Glauben an etwas Größeres und Stärkeres, das es grundsätzlich gut mit uns meint.

Zum Abschluss verwies Bucher auf Dietrich Bonhoeffer, dessen Gedicht-Beginn „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ er seinem Vortrag voranstellte. Der lutherische Theologe wurde die ersten Schuljahre von seiner Mutter unterrichtet. Als Mitglied der Bekennenden Kirche kam er in das Visier der Gestapo, wurde im April 1943 verhaftet und ins Gefängnis Tegel überführt. Dort schrieb er, den Tod vor Augen, unter anderem: „Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag kaum kennen. So habe ich mich noch keinen Augenblick allein und verlassen gefühlt.“ Im Jänner 1945 wurde er zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung erfolgte am 9. April 1945. Der SS Lagerarzt Hermann Fischer bezeugte eidesstattlich: „Durch die halbgeöffnete Tür eines Zimmers im Barackenbau sah ich vor der Ablegung der Häftlingskleidung Pastor Bonhoeffer in innigem Gebet mit seinem Herrgott knien. Die hingebungsvolle und erhörungsgewisse Art des Gebetes dieses Mannes hat mich auf das Tiefste erschüttert. Auch an der Richtstätte selbst verrichtete er noch ein kurzes Gebet und bestieg dann mutig und gefasst die Treppe zum Galgen. Ich habe in meiner fast 50-jährigen ärztlichen Tätigkeit kaum je einen Mann so gottergeben sterben sehen.“ (Erzdiözese Salzburg)

Das Thema der nächstjährigen Internationalen Pädagogischen Werktagung, von 15. bis 17. Juli 2020: „Nachhaltig leben lernen“ – www.bildungskirche.at/Werktagung
Bilder: Erzdiözese Salzburg

 

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