Von Almhütten zu Palasthotels
HINTERGRUND / TOURISMUS
05/07/18 Wer waren die Akteure und Akteurinnen der Transformation von armen Alpinregionen zu wohlhabenden Destinationen? Wann traten die ersten Mahner vor der Naturzerstörung auf den Plan? Fragen, denen die junge Historikerin Katharina Scharf an der Universität Salzburg in einer regionalgeschichtlichen Vergleichsstudie auf den Grund gegangen ist.
Ein Fazit: Die Streitfrage „Bewahren oder Erschließen“ ist so alt wie der Landschaftstourismus. Das Dilemma zeigt sich von Beginn an in der ambivalenten Haltung des Alpenvereins als Förderer, Gestalter und Bremser des Tourismus.
Mit 28,1 Millionen Nächtigungen zwischen November 2016 und Oktober 2017 wurde im Bundesland Salzburg erstmals die 28 Millionen Marke überschritten. Ein Rekordergebnis, für das bedeutende Bausteine vor gut 150 Jahren gelegt wurden. 1860 wurde Salzburg an das internationale Eisenbahnnetz (Kaiserin-Elisabeth-Westbahn) angeschlossen. Das war der Ausgangspunkt des touristischen Take-offs und damit einer bis heute andauernden Kontroverse darüber, wie viel Tourismus die Natur verträgt. Katharina Scharf vom Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg untersucht in ihrer bis Ende des Jahres abgeschlossenen Dissertation die touristische Erschließung und Transformation Salzburgs von 1860 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 und vergleicht sie mit jener in Savoyen. Die Untersuchung zeigt, dass es viele Parallelen gibt.
Die Ausgangslage von Salzburg und Savoyen (mit Chamonix) ist ähnlich. Beide entwickeln sich von ehemals peripheren, agrarwirtschaftlich geprägten Gebieten zu florierenden Tourismusdestinationen.
„Tourismus initiiert Modernisierung, Infrastrukturausbau und technische Innovationen bei gleichzeitiger Forderung nach dem Erhalt des vermeintlich Authentischen und Ursprünglichen, speziell im Alpentourismus“, erklärt Katharina Scharf. „Wir haben es mit dem Widerspruch zu tun, dass wir für das wirtschaftliche Fortkommen einerseits Erschließung brauchen, die Erschließung andererseits aber die Natur oder das Landschaftsbild und damit den Tourismus gefährden kann. Der landschaftsgebundene Tourismus verbraucht quasi seine eigene wichtigste Ressource. Es geht hier um Konflikte, die dem Tourismus inhärent und bis heute prägend sind“, so Scharf.
Wie man mit diesem Dilemma umgehen solle, führte schon bald auch innerhalb des Alpenvereins zu kontroversiellen Positionen. Ursprünglich gehörte der Alpenverein zu den deklarierten und wichtigsten Tourismusförderern. Möglichst viele Menschen sollten die Berge mit ihrer Fauna und Flora kennen- und schätzen lernen. Doch bald schon sahen manche Alpenvereins-Vertreter wie zum Beispiel der Salzburger August Prinzinger die Schattenseiten des boomenden Alpintourismus und wurden zu Mahnern vor der Naturzerstörung. „Was Salzburg als prächtigstes Geschenk in die Wiege bekommen hat, ist seine Natur“, schrieb Prinzinger 1904 und fügte mit Bedauern hinzu, dass eben diese zerstört werde und „das Ziel nimmersatter Beutegier“ sei.
In der Belle Époque um 1900 entdeckten immer mehr Menschen aus der gehobenen Gesellschaft die Lust am Reisen. Bescheidene Almhütten auf den Gipfeln wurden ausgebaut zu prächtigen Palasthotels. 1865 wurde zum Beispiel das heute nicht mehr existierende Hotel Moserboden errichtet, samt extra Straßenzufahrt. Die karge Kesselfallhütte wurde in eine Luxusunterkunft verwandelt. In Bad Gastein entstanden aus kleinen Unterkünften Grand Hotels.
„Was mich bei der Studie überrascht hat, war, dass das Naturschutzthema schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts sehr präsent war. Salzburg war in der Hinsicht ein Vorreiter. Man geht ja davon aus, dass die Umweltschutz- und Naturschutzbewegung erst in den 1970er Jahren stark wird“, sagt Katharina Scharf.
Die Wissenschafterin hat unterschiedliche Quellen wie Zeitungen, Vereinsakten, Subventionsansuchen für Infrastrukturerschließungen, Verträge für Bahnbauten, Protokolle von Landtagssitzungen, Reiseberichte, Werbematerialien durchgeackert. „Interessant ist, dass beim Ausbau der Gastronomie und Hotellerie relativ viele Frauen beteiligt waren. Unternehmerinnen waren keine Seltenheit, vor allem als Gastwirtinnen.“ Für Salzburg fand Scharf viel statistisches Material in den jährlichen Statistikbänden der Handelskammer. Diese war einer der wichtigsten Akteure für den Wandel des Landes in Richtung Tourismus. Anders als heute interessierte sich die Politik damals noch kaum für den Tourismus, das war primär Sache der Handelskammer. Sie setzte sich schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts für den Eisenbahnbau und die Infrastrukturerschließung ein. Salzburg war als bettelarmes Land zu Österreich gekommen (1816) und der Tourismus erschien vielen als Ausweg aus der wirtschaftlichen Not. Der Ausbau der Infrastruktur ging Hand in Hand mit dem Aufblühen des Tourismus und umgekehrt. Das gilt auch für Savoyen.
Katharina Scharf, 1988 in Moosbach bei Braunau geboren, ist seit 2014 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg beschäftigt. 2016 wurde sie für ihre Masterarbeit über Frauen im Nationalsozialismus („Von Kartoffelschaukochen und Krieg“) mit dem Erika Weinzierl-Peis ausgezeichnet. Seit 2016/17 ist sie Mitglied im Doktoratskolleg „On The Move“, in dessen Fokus die Mobilitätsforschung steht. (Universität Salzburg)