Kein Despot kann sich mehr sicher sein
SALZBURGER HOCHSCHULWOCHEN
03/08/17 „Öffentlichkeit“ ist das Thema der Salzburger Hochschulwochen 2017. Klaus Brinkbäumer, Chefredakteur des „Spiegel“, sieht die Medien einer „Glaubwürdigkeitskrise“ – und die Pressefreiheit bedroht. Dagegen helfe nur das „Ernstnehmen des digitalen Wandels unter Beibehaltung klassischer journalistischer Tugenden“.
Die aktuelle „Glaubwürdigkeitskrise“ die auch die seriösen Medien erfasst hat, und der „digitale Strukturwandel“ der Medien hängen zusammen, sagte der Chefredakteur des Hamburger Polit-Magazins „Der Spiegel“, Klaus Brinkbäumer, am Mittwoch (2.8.) bei den Hochschulwochen. Überwunden werden könne diese Krise, die durch die Schwemme an „Fake News“ und „Lügenpresse“-Kampagnen befeuert wurde, nur durch ein striktes Festhalten an klassischen journalistischen Tugenden und ein gleichzeitiges mediales Change-Management, das den digitalen Wandel ernst nimmt. Die Pressefreiheit sei ein hohes Gut und unabdingbar in einer Demokratie, so Brinkbäumer. Sie sei jedoch zugleich „keineswegs selbstverständlich, sondern bedroht“ und müsse immer wieder neu verteidigt werden.
Sinnfällig werde die Krise etwa im Blick auf den US-Präsidenten Donald Trump und seinen erklärten „Krieg gegen die Medien“. Er selbst habe Trump vor rund zehn Jahren kennengelernt und ihn bereits damals als „arrogant, egozentrisch und ein wenig vulgär“ erlebt. Diese Eigenschaften würden nun voll durchschlagen und sich zu einer „Groteske“ auswachsen. Trump beherrsche das Spiel mit den Medien perfekt: Er habe es geschafft, „den Witz zu einem politischen Machtinstrument zu machen“, so Brinkbäumer. Die 140 Zeichen eines Tweets seien schließlich „wie gemacht für Witzeerzähler. Jeder Tweet ein Lacher.“ Selbst kritische und seriöse Medien in den USA seien anfangs darauf hereingefallen und hätten seine Auftritte als Show missverstanden und Trump zusätzlich Aufmerksamkeit gegeben. Das sei inzwischen anders geworden.
Um dieser Versuchung als Medium zu widerstehen, bedürfe es zuvorderst einer Rückbesinnung und einer Verteidigung der klassischen journalistischen Tugenden wie Recherche, Genauigkeit und Distanz - aber auch Verantwortung, Moral und den Glauben an eine Gestaltbarkeit der Gegenwart. „Wir dürfen auf keinen Fall an dem sparen, was uns als Journalisten ausmacht“, so Brinkbäumer. Die siebzigjährige wechselhafte Geschichte des „Spiegel“ etwa zeige deutlich, wie sehr man diese Tugenden immer wieder „gegen die Versuche politischer Instrumentalisierung verteidigen“ müsse.
Brinkbäumer wies auch den Vorwurf zurück, seriöse Medien wie der „Spiegel“ hätten zu positiv über das Thema Migration berichtet: „Wir sind nie gesteuert worden“, betonte der Chefredakteur. Es habe weder Einflüsterungen noch Steuerung der Berichterstattung gegeben. Seriöser Journalismus müsse ein hohes Maß an „Einfühlung in die Lebenswirklichkeiten von Menschen aufweisen“. Man könne nur seriös berichten, wenn man dem nachspüre, „was Menschen dazu veranlasst, ihre Heimat zu verlassen“. Das erfordere ein gewisses Maß an Empathie für die Ankommenden, aber auch einen kritischen Blick auf behördliches Versagen, auf die Fehler und den Kontrollverlust der Politik.
Die Medienhäuser müssen die technologischen Umwälzungen durch die Neuen Medien meistern und zugleich dem „Lügenpresse“-Vorwurf mit gutem Journalismus entgegnen, betonte Chefredakteur Klaus Brinkbäumer. Beim Leser würde die aktuelle Medienkrise sich nicht selten in „Nachrichtenmelancholie“ und schwindenden Interesse niederschlagen. Die Neuen Medien dürften im Ringen um seriösen Journalismus dennoch nicht durchwegs verteufelt werden, denn sie trügen durch breite und niederschwellige Verfügbarkeit auch das Potenzial in sich, überall Missstände aufzudecken: „Kein Despot kann sich mehr sicher sein.“ Die Chancen der neuen weltweiten Vernetzungen hätte etwa die Aufdeckung der „Panama Papers“ gezeigt, eine Enthüllung, die, so der „Spiegel“-Chef, nicht zuletzt durch die technischen Möglichkeiten der Vernetzung möglich geworden sei. (KAP/Henning Klingen)