„Ein Grundrecht verliert man nicht“
INTERNATIONALE PÄDAGOGISCHE WERKTAGUNG
12/07/16 Die UN-Kinderrechtskonvention und die Pädagogik von Janusz Korczak (1878-1942) stehen im Mittelpunkt der 66. Internationalen Pädagogischen Werktagung zum Thema „Kinderrechte“. Sie dauert noch bis Freitag (14.7.)
„Kinderrechte sind keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte ohne Abstriche“, hielt Eröffnungsredner Lothar Krappmann am Montag (10.7.) abends in der Großen Aula fest. Als ehemaliges Mitglied des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes ist er überzeugt, dass Kinder sich diese Rechte nicht erst durch Wohlverhalten verdienen müssen, wenngleich sie natürlich auch Pflichten hätten. Aber „ein Grundrecht verliert man nicht“. Die UN-Kinderrechtskonvention gebe Meinungen und Interessen von Kindern Gewicht. Auch wenn bei Kinderrechten der Schutzgedanke meist im Vordergrund stehe, berühre die Konvention alle Lebensbereiche von Kindern, wie Bildung, Erziehung, Privatsphäre, Freizeit… Im Sinne einer gelebten Beteiligung gehe es daher in erster Linie „um das kontinuierliche Gespräch von Erwachsenen mit Kindern über die Themen, die sie betreffen“. Seine als Vortragstitel gewählte Frage „Die Menschenrechte auch für Kinder?“ beantwortete Krappmann schlussendlich mit einem überzeugten „Ja – voll und ganz!“.
Kinder hätten ein frühes Gespür dafür, wenn ihnen Unrecht geschehe, meinte Erzbischof Franz Lackner in seinen Begrüßungsworten und berichtete von Erlebnissen aus seiner eigenen Kindheit, bei denen ihm Unrecht bewusst wurde. Auch die Kirche tue gut daran, sich den Rechten von Kindern zu verschreiben und teils vom System gedeckte Missstände offen anzusprechen und aufzudecken. Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer hob die körperliche Unversehrtheit als einen Aspekt der Kinderrechte hervor und appellierte an die anwesenden PädagogInnen, wachsam zu sein und mutig einzuschreiten, wenn ihnen anvertraute Kinder und Jugendliche potentiellen Gefahren ausgesetzt seien. Landesrätin Martina Berthold betonte die Verantwortung der Politik, Kinder durch Chancengleichheit und Beteiligung darin zu unterstützen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Landeshauptmann Wilfried Haslauer sieht „die Begriffe Würde und Liebe untrennbar mit Kinderrechten verbunden“. Kinderrechte seien nicht nur in Entwicklungsländern bei der Vermeidung von Kinderarbeit oder Kindersoldaten relevant. Auch bei uns sei das Thema, in verschiedensten Ausprägungen, sehr präsent. Als Beispiel nannte Haslauer die Gefahr des „Wegstreichens von Bildungsmöglichkeiten“ und somit die Gefährdung von Zukunftsmöglichkeiten.
Der Humanist, Schriftsteller, Pädagoge und Kinderarzt Janusz Korczak gilt als „Vater der Kinderrechte“ und setzte sich energisch für grundlegende Rechte ein, die Kindern zugestanden werden müssen. Die Erziehungswissenschafter Andreas Paschon und Michael Winkler begaben sich in ihren Vorträgen am Dienstag (11.7.) auf die Spuren Korczaks. Andreas Paschon, Erziehungswissenschafter an der Universität Salzburg, übertrug Janusz Korczaks Denkansätze auf konkrete Projekte in der Gegenwart. „Kinder haben nicht immer recht, aber Kinder haben immer Rechte!“, war Janusz Korczak überzeugt. Ein Faktencheck zur Umsetzung der Kinderrechte, wie sie die UN-Kinderrechtskonvention definiert, falle allerdings ernüchternd aus. Mangelernährung, hohe Kindersterblichkeitsraten, Kinderarbeit, sexueller Missbrauch – statistische Zahlen verstören und eine hohe Dunkelziffer muss man befürchten. Korczaks Verständnis von Erziehung war es, jedes Kind in seiner Individualität zu respektieren und ihm das Recht zuzugestehen, so zu sein, wie es ist. Mit seinem Buch „Das Recht des Kindes auf Achtung“ bereitete Korczak schon 1929 den Weg für die sechs Jahrzehnte später verabschiedete UN-Konvention über die Rechte des Kindes. Grundpfeiler seiner Pädagogik sah Korczak darin, mit den Kindern zu fühlen, sie zu begleiten statt zu bevormunden, sie – und auch die Erziehenden – aus Fehlern lernen zu lassen und in hohem Maße zu beobachten und zu reflektieren. Diesen stark partizipativen Ansatz sieht Paschon unter anderem in Projekten wie der Kinderstadt MiniSalzburg verwirklicht, wo Kinder Verantwortung übernehmen dürfen und ihre Welt aktiv mitgestalten können.
Michael Winkler, Professor für Allgemeine Pädagogik und Theorie der Sozialpädagogik an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, beleuchtete die pädagogische Theorie, die Korczaks Handeln und Überzeugungen zugrunde liegt. Vor rund hundert Jahren forderte Korczak die Magna Charta Libertatis – ein Grundgesetz für das Kind. Das „Recht auf den heutigen Tag“ und das Recht des Kindes darauf, so zu sein, wie es ist – das läuft, wie es Janusz Korczak sah, für die Eltern darauf hinaus, sich mit der Welt der Kinder vertraut zu machen, gleichzeitig aber für ausreichend Distanz zu sorgen. Janusz Korczak plädierte für möglichst wenig Intervention in der Entwicklung des Kindes, „was mitunter als Antipädagogik missgedeutet wird“. Korczak machte sich aber dafür stark, dass Erziehung den individuellen Lebenssituationen von Kindern gerecht wird, dass Kinder nicht objektiviert und optimiert werden, sondern als freie, eigenständige Lebewesen wahrgenommen und als solche altersgerecht in ihrer Entwicklung unterstützt werden. Eltern sollten dazu animiert werden, die Eigenständigkeit ihres Kindes zu achten und ihren Blick auf sein individuelles Wesen zu lenken. (Katholisches Bildungswerk)