Ehrlich gekränkt
KOMMENTAR
Von Reinhard Kriechbaum
02/02/10 Tag für Tag wird nun also in den Printmedien mehrspaltig berichtet über die Causa prima, die vermuteten dunklen Geschäfte zwischen Osterfestspielen und Festspielen.
Je nach Temperament und Seriosität des Mediums gibt es derzeit unterschiedliche "Aufhänger". Nach dem Selbstmordversuch des ehemaligen Technischen Direktors der Festspiele, Klaus Kretschmer, in der Nacht von Sonntag auf Montag (er liegt derzeit im künstlichen Tiefschlaf) hat der Boulevard ein griffiges Thema. Die Seriösen haben's schwer, weil die Faktenlage ja äußerst dürftig ist. Ein wenig hat man aus den Medienberichten den Eindruck: Da sind Jounalisten ehrlich gekränkt, weil sie von Michael Dewittes Entlassung erst mit sechswöchiger Verspätung erfahren haben. Selbst jene, die traditionellerweise im Festspielbezirk schon das Gras wachsen hören, noch bevor Samenkörner in die Erde gefallen sind. Solches Schweigen gehört sich doch wirklich nicht, ist per se skandalträchtig!
Die dürren Facts sind in ein paar Zeilen aufgelistet: Rechnungslegung und Gegenleistung zwischen den beiden Institutionen scheinen unstimmig zu sein, es dürfte um windige Spesenabrechnungen und dergleichen gehen. Natürlich gilt für Dewitte wie für Kretschmer die Unschuldsvermutung. Immerhin reichten die vermuteten oder bisher intern nachgewiesenen Unregelmäßigkeiten aus sowohl für Michael Dewittes als auch für Klaus Kretschmers fristlose Entlassung. Die Buchhaltungen beider Institutionen wurden, beziehungsweise werden nun von der Wirtschaftsprüferkanzlei Audit Services Austria eilends auseinandergenommen und hoffentlich auch miteinander verglichen. Beide Institutionen haben ihre Sicht auf die Dinge der Staatsanwaltschaft übergeben (oder wollen das in diesen Tagen tun).
Aus den kargen Wortmeldungen von Dewitte und Kretschmer ist herauszulesen, dass beide die Welt nicht mehr verstehen: Plötzlich soll verwerflich sein, was über Jahre gesehen und toleriert - oder, nach anderer Lesart, nicht gesehen oder auch großzügig übersehen worden ist?
Das Direktorium der Festspiele hat am Montag in einer Presseaussendung kund gemacht: Die Wirtschaftsprüfer sollen klären, "ob Unregelmäßigkeiten, wie sie den Osterfestspielen vorgeworfen werden, auch bei den Festspielen möglich waren." Ein "erster umfassender Bericht" werde rechtzeitig zur Sondersitzung des Kuratoriums am 23. Februar vorliegen. Das Direktorium hoffe damit "in kürzester Zeit Klarheit schaffen zu können". Und weiter heißt es: "Selbstverständlich werden die Ergebnisse veröffentlicht. Aber ebenso selbstverständlich werden bis zum Vorliegen von Ergebnissen keine Kommentare oder Vorverurteilungen vom Direktorium erfolgen."
Wenn der Prüfbericht über die Osterfestspiele tatsächlich schon kommenden Mittwoch (3.2.) bei LH Gabi Burgstaller einlangen sollte, wird er trotzdem, für sich allein, noch wenig Aussagekraft haben. Nur aus der Zusammenschau der Ergebnisse von beiden Seiten wird man sich ein Bild machen können. Mindestens drei Wochen Geduld sind also angesagt.
Der Flurschaden ist enorm. Jene, denen Subventionen für die Festspiele - erst recht jene für die Osterfestspiele - sowieso ein Dorn im Auge sind, können jetzt genüsslich mutmaßen, wie es wohl zugegangen sein mag, dass sechsstellige Beträge offenbar niemandem aufgefallen, niemandem abgegangen sind. Dewitte sprach jüngst in einem ORF-Interview, er hinterlasse ein Unternehmen mit zwei Millionen Euro Rücklagen. Wie verträgt sich das mit der Forderung der Berliner Philharmoniker nach mehr Subventionen am Ort?
Das Gespräch mit potentiellen und vorhandenen Sponsoren wird natürlich für beide Institutionen auch nicht leichter, so lange nicht alles pingelig aufgeklärt und bereinigt ist.