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Schlechte Zeiten für gute alte Nazi

KOMMENTAR

rkVon Reinhard Kriechbaum

02/10/13 In Tirol hat man vieles unter den Tisch gekehrt. Aber seit dort Schwarz-Grün in der Regierung sitzen, hat man den Deckel einfach nicht auf dem Topf halten können: Zu sehr brodelt die volkskulturelle Suppe, in der immer noch so manches Fleischstück ehrwürdigen Alters verkocht wird.

In Tirol ging es zuletzt um den Blasmusik-Apostel Sepp Tanzer, bei dem es in etwa so ist wie hierzulande mit Tobi Reiser: Alle wussten und wissen um die starken braunen Flecken (oder auch um die zeitweise Total-Einfärbung) – aber das Stillschweigen bewährt sich seit 1945. Warum hinschauen, wenn  man auch wegschauen kann?

In Tirol hat man jüngst – DrehPunktKultur berichtete – einer Musikschule, die sich stolz mit dem Namen „Sepp Tanzer“ schmückte, eben dieses „ehrende“ Apercu gestrichen.

Wenn nun der Verein der Freunde des Salzburger Adventsingens, der seit zwanzig Jahren den „Tobi-Reiser-Preis“ vergibt, diese Ehrung aussetzen will, ist das eine mit den aktuellen Tiroler Diskussionen vergleichbare Aktion: Sage doch keiner, er habe von nichts gewusst. Seit gut fünfzehn Jahren taucht das Thema immer wieder auf, wurde und wird in Symposien und Publikationen behandelt. Die Volkskundlerin Ulrike Kammerhofer-Aggermann, der Historiker Gert Kerschbaumer sind nur zwei aus einer kleinen Armee von Wissenschaftern, die sich mit Tobi Reiser beschäftigt haben. Nicht geklärt sind höchstens marginale Punkte: War er schon vor dem Anschluss Parteimitglied oder hat er sich, der Karriere wegen, in seinem Lebenslauf nach 1938 bloß damit gebrüstet?

Eine logische Reaktion wäre, den Preis schlicht und einfach nicht mehr zu vergeben oder umzubenennen. Immerhin eigent ihm ein offizieller Touch: Der Verein der Freunde des Salzburger Adventsingens lobt ihn aus, aber vergeben wird er mit Glanz und Gloria von Landeshauptmann oder -frau.

In den Augen der Freunde des Salzburger Adventsingens ist die Sache deutlich weniger klar: Reiser sei „eine in der öffentlichen Gesellschaft hoch geachtete und geschätzte Persönlichkeit und wurde für seine vielfältigen Verdienste mit höchsten Auszeichnungen von Stadt und Land sowie vom Freistaat Bayern geehrt“, heißt es in einer Pressemitteilung. Trotz einschlägiger Aufarbeitung „scheint die politische Geschichte von Tobi Reiser in seinen Zeiten noch nicht ganz fertig geschrieben zu sein“. Deshalb werde der Preis ausgesetzt, so die Freunde des Adventsingens. Man wünsche sich eine „historische Aufarbeitung dieser Causa“, wolle sich auch aktiv engagieren, wünsche sich aber eine Untersuchung und Beurteilung  „gemeinsam mit dem Land“. Bei Landeshauptmann Haslauer und Kultur-Landesrat Schellhorn werde man in diesem Sinne demnächst vorsprechen.

Ob es wirklich noch viel zu untersuchen gibt in Sachen Reiser und dessen Nazi-Engagement? Ob es nicht reichte, das Vorhandene erstens gründlich zu lesen und zweitens einfach ernst zu nehmen? Von der Entschiedenheit, die man derzeit in Tirol an den Tag legt, scheint man in Salzburg noch weit entfernt zu sein.

Irgendwie klingt das Anliegen so, als klammere sich an einen Strohhalm: Ob das Idol Reiser nicht doch noch irgendwie reinzuwaschen ist, ob man nicht doch den einen oder anderen braunen Fleck weg bekäme? Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Zur Hintergrund-Geschichte Muss man sich schämen für den Namenspatron?
Zum DrehPunktKultur-Bericht Spät aber doch geht es ans Aufarbeiten

 

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