Sargnagel für eine Kulturnation?
KOMMENTAR
Von Heidemarie Klabacher
27/02/13 Dass es eine Menschengruppe gibt, für die noch keine eigene Konzertreihe existiert, das muss man Elisabeth Fuchs, der künstlerischen Leiterin der Kulturvereinigung, nicht zweimal sagen. "Nichts" gebe es für Berufsschüler, habe der Zuständige beim Landesschulrat ihr geklagt. Am 18. April findet prompt das erste „Lehrlingskonzert“ statt.
„Es gibt nicht nur AHS-Schüler, es gibt auch Berufsschüler“, habe sie Manfred Kastner, beim Landesschulrat zuständig für Berufsschulen wissen lassen, berichtete Elisabeth Fuchs jüngst bei der Jahrespressekonferenz der Kulturvereinigung. Dass in Kooperation mit der Arbeiterkammer wohl gelegentlich einmal hundert Lehrlinge in ein Kulturvereinigungskonzert gingen, „das reicht nicht“. Und so haben Fuchs und Kastner das „Lehrlingskonzert“ erfunden: „Am 18. April um 10 Uhr werden zweitausend Lehrlinge zum ersten Mal im Großen Festspielhaus sitzen, von denen 1800 noch nie ein Konzert gehört haben.“
Es schaut schon jetzt so aus, „als ob wir das nicht zum letzten Mal machen“, verrät Elisabeth Fuchs. „Klassik ist nix verstaubtes. Das Festspielhaus ist vielleicht schon ein wenig alt, aber was drin passiert ist toll.“ Das will die Dirigentin und Vollblutmusikerin den jungen Leuten vermitteln. Natürlich dirigiert sie selbst beim Lehrlingskonzert ihr Orchester, die Philharmonie Salzburg: „Wir spielen Teile aus der Neunten Dvorak, das ist immer ein Hit. Dann die Moldau und ein wenig Filmmusik, um ihnen das Ohr aufzumachen, um sie einzuladen, einmal nur darauf zu hören, was passiert.“ Moderieren werde nicht nur sie selber, so Elisabeth Fuchs. Einer ihrer Orchestermusiker – der Bassposaunist – ist Fitnesstrainer. Er wird den richtigen Ton treffen.
Wozu braucht man bei einem Klavierkonzert ein Orchester, wenn es doch „Klavierkonzert“ heißt? Diese Frage sei ihr tatsächlich gestellt worden, und nicht etwa von einem Schüler. Eine „Schnurre“. Aber eine Schnurre, die zu denken gibt. Das meint auch Elisabeth Fuchs: „Das ist nicht komisch! Das wissen wirklich nicht alle. Da hat auch unser Bildungssystem versagt.“
Mit immer stärker zurückgeschraubtem Musikunterricht, bei gleichzeitiger der Reduktion aller anderen als unnütz für das Wirtschaftleben diskreditierten „kulturellen“ Fächer, werden solche Lücken in Zukunft noch deutlich größer werden.
Es muss ja nun wirklich nicht jeder die Sonatenhauptsatzform oder den Unterschied zwischen Erzlaute und Theorbe am Schnürchen haben. Ein paar Grundbegriffe aus Musik, Literatur und Bildender Kunst sollte die Schule – neben (natürlich auch unverzichtbaren) Computer- und EDV-Kenntnissen – denn doch vermitteln.
Sollten die vielfältigen Angebote der Kulturveranstalter nicht „Zuckerl“ sein? Sahnehäubchen, die Abwechslung in den Schulalltag bringen oder jungen Familien besondere gemeinsame Erlebnisse schenken. Sind die Angebote der Kulturveranstalter tatsächlich schon der Notnagel für ein intellektuell ausgehöhltes Bildungssystem? Dann ist auch der Sargnagel für unsere so genannte „Kulturnation“ schon geschmiedet.