Unter der Dauer-Wolke des Mammon
KOMMENTAR
Von Reinhard Kriechbaum
22/07/12 Alexander Pereira wird sich, wenn die „Ouverture spirituelle“ vorbei sein wird, ganz sicher nicht so schräg anreden lassen müssen wie seine Kleinformat-Kollegin von der „Salzburg Biennale“, Heike Hoffmann.
Bloß gut ein Drittel der Karten verkauft? Pfui! Künstlerisch am Ball bleiben und interessante (neue) Musik-Strömungen aufzuspüren zu wollen, und dafür sogar noch Spesen machen? Zwei Mal pfui! Es reicht doch, wie man eben in diesen Tagen sieht, Sir John Eliot Gardiner, Zubin Mehta, Claudio Abbado und Nikolaus Harnoncourt innerhalb einer Woche zu engagieren. Denen muss man nicht kostenaufwändig hinterher fahren, da weiß man von vornherein, was man bekommt. Und weil ja genug Leute da sind in der Jahreszeit, werden sie wohl auch abends in die Konzerte kommen, haufenweise. Da gehen die Karten weg wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Nicht Handsemmeln, sondern aufgebackene Ware – aber was soll’s?
Die Stadt-ÖVP nörgelt an einem Festival herum, das seiner Thematik nach und obendrein zur Jahres-Unzeit (Februar/März) überhaupt nicht noch mehr Erfolg haben könnte. Kein Anbieter zeitgenössischer Musik verkauft im Regelfall mehr als ein Drittel der Karten, wenn nicht irgendwie das geographische oder zeitliche Glück mitspielt. „Kontrapunkte“ zu Ostern, „Kontinente“ im Sommer, meinetwegen gerade noch die „Dialoge“ der Stiftung. Da geht’s so einigermaßen. Irgendwann im Winter, wenn allmählich sogar die Schifahrer Salzburg über haben, ein Vier-Wochenende-Festival mit Neuer Musik anzubieten und auf mehr Erfolg zu hoffen: Das ist weltfremd. Es reicht nicht mal in Salzburg, mit den Fingern zu schnipsen, und schon läuft die Partie.
Im Raum steht die grundsätzliche Frage: Braucht man, will man die „Salzburg Biennale“? Sie ist, daran sei erinnert, die allerletzte Nachwehe des Mozartjahres 2006. Angefangen hat es ja mit Kontra:komm, einer als Biennale für die bildende Kunst vorgesehenen Initiative. Die war gut gemeint, nett für die Stadt, aber gerade im Mozart-Jahr so nötig wie ein Kropf. Man hat Wirtschafts-Geld hinein gesteckt, um Umwegrentabilität zu generieren. Die Kunst selbst war von vornherein bloß als Vehikel für den Mammon gedacht. Das war die Killer-Hypothek für Kontra:komm. Dann hat man versucht, die Kurve zu kratzen und das bereits langfristig budgetierte Geld in ein Festival für Neue Musik umzumünzen.
Die jeweiligen künstlerischen Leiter – Hans Landesmann zuerst, nun Heike Hoffmann – haben das jeweils Bestmögliche draus gemacht. Die dunkle Image-Wolke von tourismuswirtschaftlich missbrauchter Kunst schwebt trotzdem über dem Festival und will sich nicht verziehen. Ob man also nicht doch lieber die „Biennale“ sanft entschlafen lassen sollte?
Wichtig dabei ist nur: Man hat am Beispiel der Salzburg Biennale gesehen, dass Geld für die Kultur, auch fürs Zeitgenössische, immer und ausreichend da ist, wenn die Politik nur will. Dass jetzt diese Mittel nicht klammheimlich aus der Kultur verschwinden, darauf sollte man achten.
Und im übrigen: Heike Hoffmann ist eine profilierte Programm-Macherin. Ihr könnte man ruhig nicht nur Spesen zugestehen, sondern ihr auch glauben, wenn sie gute künstlerische Ideen und womöglich auch solche für einen vernünftigen Festival-Zeitpunkt hat.