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„Haben wir zu viele Museen?“

GASTKOMMENTAR

Kurz vor Weihnachten haben Philosophiestudenten aufgemotzt, denn sie büßen, wenn der Museumsrundgang um den Domplatz Wirklichkeit wird (woran kein Zweifel mehr besteht), einen ihrer Hörsäle im Wallistrakt ein. Der Grund für den kleinen "Philosophenaufstand" war freilich nicht die Ablehnung einer Verbindung der rund um den Domplatz gruppierten Museen, sondern die Angst, dass in ihrem Fach Sparmaßnahmen umgesetzt und sie zu eng an die Philosophie an der Theologischen Fakultät gekettet würden. Aber das ist eine andere Geschichte. Für den Leiter des Dommuseums, Peter Keller, war der kleine Studentenprotest jedenfalls Anlass, seine Sicht auf die Vorzüge der geplanten Museums-Optimierung zusammen zu fassen.

altVon Peter Keller

05/01/12 Die Strukturen der Museumslandschaft in der Stadt Salzburg stammen zu einem guten Teil noch aus den fünfziger bis siebziger Jahren. Die Residenzgalerie wurde 1954-1956 eingerichtet, das Dom- und das Barockmuseum 1973/74. Der Frage, die vor kurzem eine Tagung in Hamburg zum Titel hatte: „Haben wir zu viele Museen?“, müssen wir uns daher auch in Salzburg stellen.

Das Dom- und das Barockmuseum sind klein, mit 3 Mitarbeitern in der Verwaltung und Budgets zwischen 300.000 und 400.000 Euro. Die Residenzgalerie hat etwa das dreifache, das Salzburg Museum und das Museum der Moderne haben jeweils das zwanzigfache Budget und noch mehr Mitarbeiter. Dom- und Barockmuseum leisten - im Verhältnis zu ihrer Größe - sehr viel. Das Dommuseum macht im Schnitt drei Ausstellungen und 200 Seiten Katalog im Jahr. Aber auf mittlere und lange Sicht, angesichts der steigenden Personal-, Betriebs- und Ausstellungskosten, ist diese Leistung nicht zu halten.

Die Stadt Salzburg empfängt geschätzt 6 Millionen Touristen im Jahr. Das bestbesuchte Monument ist der Dom mit hochgerechnet zwei Millionen Eintritten, vor der Festung mit unter einer Million. Die Besuchszahlen der Museen sind im Vergleich dazu gering: ungefähr 80-100.000 in der Neuen Residenz und im Museum der Moderne, 50-60.000 in der Residenzgalerie und den Prunkräumen, 20-25.000 im Dom- und im Barockmuseum. In die Museen kommen, das wissen wir aus Befragungen, nur solche Touristen, die zwei bis drei Tage in der Stadt bleiben. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Tagestouristen beträgt bloß vier bis fünf Stunden. Die Museen sind jedes für sich zu klein, um dieses potentielle Publikum durch Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zu erreichen.

Auf vierzig Touristen kommt in Salzburg je ein Einwohner. Die Einwohner Salzburgs sind zwar als Steuer- und Kirchenbeitragszahler die Träger der Museen. Sie stellen aber zahlenmäßig ein viel kleineres Publikum. Umgekehrt sind die Museen Teil des touristischen Angebots. Die Salzburger Museen müssen daher durch ihre Vermittlungs- und Ausstellungsprogramme den Spagat zwischen der „kulturellen Nahversorgung“ und der Touristenattraktion bewältigen. Ausstellungen über Mozart und Festspiele erreichen ein überregionales Publikum, eine Ausstellung über den Wiederaufbau des Doms nicht; trotzdem ist letztere wichtig.

Salzburg gilt als Barockstadt. Der barocke Dom mit den umgebenden Plätzen bildet das Herz der Stadt. Zusammen mit der Residenz bildet er einen Komplex, der die frühere geistliche und weltliche Macht der Erzbischöfe verkörpert, vergleichbar dem Vatikan. Die ursprüngliche, innere Einheit von Residenz und Dom ist aber zurzeit nicht erfahrbar. Es gibt keine Ausstellung, die das Thema Barock angemessen vorstellt. Die bedeutenden Sammlungen, die die Erzbischöfe zusammengetragen hatten, und die Möbel sind verloren. Die Residenzgalerie ist eine angekaufte, barocke, adlige Gemäldesammlung, sie ersetzt die Galerie der Erzbischöfe. Das Barockmuseum ist eine Sammlung barocker Entwürfe und Skizzen, nicht nur aus Salzburg. Was wir noch haben, sind die barocken Gebäude mit den Deckenmalereien, Stuckdecken, Marmorfußböden und mit den prachtvollen Ein- und Ausblicken.

Unter diesen Voraussetzungen bietet die Öffnung der Übergänge zwischen Residenz, Dom und St. Peter, der Umbau des Wallistrakts, die Zusammenarbeit von Dom-, Barock- bzw. Salzburg Museum, Residenzgalerie und Prunkräumen allen eine Zukunftsperspektive. Der bisherige Sonderausstellungsbereich des Dommuseums wird reihum von den beteiligten Institutionen bespielt. Dadurch ergibt sich eine geringere Belastung für die einzelnen Museen. Die Residenzgalerie erhält endlich eine Dauerausstellung und muss nicht für jede Sonderausstellung ausräumen. Das Museum der Abtei St. Peter, die reichere Sammlungen besitzt als die Erzdiözese, kommt als starker Partner hinzu, ebenso das Salzburg Museum mit seiner eigenen Sammlung und nun jener des Barockmuseums. (Ich gebe zu, mir wäre es lieber gewesen, das Barockmuseum wäre als Institution erhalten geblieben und hätte eine Dauerausstellung in der Residenz erhalten, aber diese Chance wurde vertan.)

Der Museumsrundgang ist kein Prestigeprojekt eines einzelnen Politikers, sondern er ermöglicht eine Strukturreform, aus der auf mittlere und lange Sicht alle beteiligten Museen, die Einwohner der Stadt und die Touristen Nutzen ziehen werden. Er erlaubt einen Schwerpunkt Barock, ohne Ausstellungen mittelalterlicher oder moderner Kunst auszuschließen. Er ermöglicht die Gründung eines Museums der Abtei St. Peter, ohne einen ganzen Betrieb aufbauen zu müssen. Er macht die Museen zukunftsfähig, ohne die Besonderheiten des Dommuseums als kirchliches Museum oder der Residenzgalerie als Gemäldegalerie aufzugeben.

 

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