Jetzt brennt der Hut
KOMMENTAR
Von Reinhard Kriechbaum
15/05/11 Freitag der Dreizehnte. Ein Datum mit Symbolkraft für die Osterfestspiele. Die Berliner Philharmoniker sind also tatsächlich bald perdu. Aus dem Theaterdonner - ein eigenes Oster-Festival in Baden-Baden als Drohgebärde war ja ein running gag über Jahre - ist jäh Ernst geworden.
Für die Salzburger Kulturpolitik ist der Gang der Dinge beschämend. Natürlich hat man sich bemüht, gerade nach den Querelen um Michael Dewitte und Konsorten, die Dinge einigermaßen auf Schiene zu bringen. Aber man hat auch in dieser Situation die Geldbeutel gerade nur so weit aufgemacht, wie es unbedingt nötig war. Ein Festival mit 92 Prozent (!) Eigenfinanzierung ist auf Dauer unrealistisch. Dass der Sponsor-Anteil von Vontobel über dem Fördergeld der Stadt liege, hat der Schweizer CEO der Bank erst vor kurzem in Salzburg betont. Dass die Osterfestspiele über die Umwegrentabilität der Stadt und dem Land ein Vielfaches einbringen, als man dafür auszugeben bereit ist, ist überhaupt kein Geheimnis.
Was jetzt? Billig wird ein neues Orchester für "Parsifal" gewiss nicht, so kurzfristig und unter der Prämisse, dass die Osterfestspiele unter Zugzwang stehen. Peter Alward sieht unruhigen Wochen und Monaten entgegen. Aber der Mann hat beste Kontakte, ihm ist ein souveräner Umgang mit der Situation zuzutrauen.
Um die Berliner Philharmoniker ist es schade, jammerschade, keine Frage. Hätte man sie doch ihren Ehrgeiz hinsichtlich intensiverer Education-Programme umsetzen lassen! Wären vier Aufführungen tatsächlich so irreal gewesen? Vier mal Oper am Ort hätte allemal exklusiveren Touch gehabt als die Kooperation mit Madrid.
Mit den Osterfestspielen stirbt jetzt jedenfalls die letzte Bastion eines High-Level-Kulturbetriebs von gestern oder vorgestern. Das Treffen des deutschen und schweizerischen Geldadels (der Promi-Glamourfaktor war zuletzt minimal) hat hier bis zuletzt funktioniert. Das allein ist "Karajans Erbe", das immer wieder zitiert wird. Künstlerisch sind die Osterfestspiel-Programme austauschbar. Es macht keinen Unterschied, ob sie in Salzburg oder in Baden-Baden stattfinden. Werden all die Banker und ihre Kredit-Kunden künftig nach Baden-Baden fahren? Wie hoch ist der Anreiz von Salzburg als Kulisse für sie tatsächlich?
Der ideelle und finanzielle Flurschaden vor Ort ist gewaltig. Die Vier-Sterne-Hoteliers werden einige Sorgenfalten mehr bekommen. Wo kriegt die Kunst- und Antiquitätenmesse künftig einen doch wesentlichen Teil ihres betuchten Publikums in Zukunft her?
Künstlerisch wird man schon wirklich kreativ sein und die Angelegenheit mit ansehnlichem Marketing-Geld weiterbewegen müssen, um neue Füße auf den Boden kriegen - um sich neue und tragfähige Standbeine wachsen zu lassen. Da werden Stadt, Land und Tourismusfonds wahrscheinlich nicht mehr so günstig davonkommen wie bisher. Und die Umwegrentabilität wird geringer sein. Das (fürs Publikum) "teuerste Festival der Welt" ist jedenfalls ab 2013 Geschichte.