Nicht doch eher Moral?
KOMMENTAR
Von Reinhard Kriechbaum
05/03/20 Die einen veranstalten eine Tagung, laden dazu unter anderen Muslime und Buddhisten ein, und wollen so das Verhältnis zwischen Ethik und Religion abklären. Andere – allen voran die Betreiber des Volksbegehrens Ethik für alle – sprechen den konfessionsnahen Menschen jede Berechtigung ab, genau darüber zu befinden.
Bemerkenswert, dass sich Anton Bucher, ein angesehener Religionspädagoge an der Universität Salzburg, in einer über die APA-Schiene OTS verbreiteten Presseaussendung sehr vehement den Kritikern der Tagung im Bildungshaus St. Virgil zugesellt. Überhaupt keine Frage: Wer keinen Religionsunterricht besucht, soll eine ethische Basisbildung bekommen. Sehr wohl eine offene Frage: Hätten nicht auch Jugendliche, die von ihren jeweiligen Konfessionen einschlägigen schulischen Unterricht bekommen, ein Anrecht auf eine solche quasi Konfessionen übergreifende Information?
Ab Herbst soll laut Regierungsplänen all jenen in der Schule Ethik-Unterricht verordnet werden, die aus nicht-religiösem Elternhaus kommen oder die sich aktiv vom Religionsunterricht abgemeldet haben. In Zweifel steht, ob all jene, die da konkret planen, die das Für und Wider diskutieren, die darüber konfessions-freundlich oder Religion grundsätzlich ablehnend urteilen, wirklich das Wort Ethik für sich und in der Diskussion dem Sinn nach verwenden.
Worum es letztlich geht: Es wachsen Schülergenerationen heran, die menschliche Grundwerte nicht mehr gleichsam selbstverständlich mit der Muttermilch eingeflößt bekommen haben. Das sind beileibe nicht nur Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund aus anderen Kulturkreisen. Auch die Kinder der Ich-AGs haben vielleicht nicht in ausreichendem Maß daheim mitbekommen, dass die Befriedigung eigener Interessen nicht das Maß aller Dinge ist. Auch Jugendliche, deren Eltern in prekären Arbeitsprozessen ausgelaugt werden, bekommen daheim unter Umständen nicht dass gedankliche Rüstzeug mit.
Da geht es aber kaum um ethische Grundfragen, sondern eigentlich im weitesten Sinne um Moral. Das Du-sollst-nicht-Stehlen, Du-sollst-nicht-Töten und dergleichen hat viel weniger mit Ethik als mit Moral zu tun. Aufeinander zu hören und zuzugehen, das eigene Verhalten so einzurichten, dass es anderen (und möglichst auch der Umwelt) nicht schadet – das sind moralische Haltungen. Das sind aber auch Haltungen, die das Judentum, den Islam und das Christentum, also die monotheistischen Religionen, mehr verbinden als trennen. Auch der Buddhismus will eine verbindende Menschensicht vermitteln. Wo das nicht klappt, sind in den meisten Fällen Fundamentalisten am Werk.
Vielleicht sollte man, der Einfachkeit und der Praxis-Bezogenheit wegen, über ein Schulfach „Moralunterricht“ oder „Respektvoll miteinander leben“ reden?