Setzen Sie sich zu uns!
KOMMENTAR
Von Reinhard Kriechbaum
04/03/20 Es ist ein unerwarteter Slogan im „Orchesterbuch“ der Philharmonie Salzburg, einer Broschüre mit schlappen 57 Druckseiten: Setzen Sie sich zu uns! Wäre Hören Sie uns zu! nicht eher das Mittel der Wahl für einen Konzertveranstalter?
Nein, ist es nicht. Zuerst einmal ist überhaupt das Da-Sitzen der jungen – und nicht nur der jungen – Leute gefragt. Nur dann kann sich überhaupt jenes gemeinschaftliche und individuelle Erlebnis einstellen, von dem der Konzertbetrieb lebt. Übrigens nicht nur diese Branche. Auch das Treiben im Red-Bull-Stadion lebt von der Gruppendynamik – und mag der Ball dabei im Vergleich zur Fernsehübertragung noch so weit weg sein. TV-Kochsendungen ersetzen nicht den schneidenden Zwiebelgeruch in der Küche, und selbst Hörfunkübertragungen katholischer Messen sind nicht wirklich das Gelbe vom Ei.
Wenn das Publikum unmittelbar neben den Musikern, also mitten im Orchester, neben den Musikern an den Pulten sitzen darf, ist's nochmal ein kräftiger Schritt zu jener Tuchfühlung, die Sensorien für die Kunst öffnet. Das kann weder der CD-Player noch ein Livestream und schon gar nicht der schulische Musikunterricht leisten. Nur Selber-Singen oder Selber-Spielen wäre noch besser.
Von solchen Initiativen jedenfalls kommen die imponierenden und immer noch höheren Zahlen her, mit denen die Philharmonie Salzburg Jahr für Jahr auftrumpft: 11.600 Besucherinnen und Besucher bei Eigenveranstaltungen, 53.800 bei Gastveranstaltern, 30.500 Gäste bei Eigen- und 11.900 bei Gastveranstaltungen der Kinderfestspiele. Macht zusammen 107.800 Köpfe oder 215.600 gespitzte Ohren. Jene 17.000 Kinder, die mit einer Moldau-CD von den Kinderfestspielen heim gegangen sind, haben eben das Geplätscher der Flöten live gehört.
Das Musik-Erleben schafft Neugier auf mehr, und deshalb legen auch die Abonnentenzahlen bei der Philharmonie Salzburg zu, und bei den Mitbewerbern (Kulturvereinigung und Stiftung Mozarteum) nehmen sie zumindest nicht mehr ab. 810 Abonnements ist der aktuelle für die Zyklen der Philharmonie Salzburg (inklusive Symphonic Talk jeweils am Vorabend), sagenhafte 2500 Abos hat man in dieser Saison für die Konzertreihen der Kinderfestspiele an den jungen Mann und die junge Frau gebracht. Da hat Elisabeth Fuchs mit Energie und kunstunternehmerischer Initiative viel Positives bewirkt in Salzburg. Das spüren auch andere Veranstalter (die Kulturvereinigung beispielsweise hält derzeit bei 4.900 Abonnenten). In konkrete Zahlen wird man die Kollateral-Erfolge schwer können, aber es ist greifbar: Auch wenn Musiksoziologen den Abonnementbetrieb schon längst totgeschrieben haben, gilt auch hier: Totgesagte leben länger.
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