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Ungeboren und schon staats-verschuldet!

GASTKOMMENTAR

altVon Christina Repolust

05/05/10 Schwangere Frauen stimmen mich heiter, freundlich nicke ich Ihnen stets unaufgefordert zu: Sie trauen sich, sie trauen sich was, alles Gute! Das soll mein Lächeln ausdrücken.

In Zeiten schlecht geregelter Kinderbetreuung, elternfeindlicher Arbeitszeiten ist es mutig, Kinder zu bekommen. Als die Starfotografin Annie Leibovitz die Schauspielerin Demi Moore am Ende deren Schwangerschaft nackt fotografierte, ging einst ein Staunen und ein Raunen um die Welt. Ein Tabubruch! Viele fanden diese ästhetische Darstellung geschmacklos. Nun finde ich in einigen Medien wieder die ästhetische Darstellung einer schwangeren Frau, leider ohne Gesicht. Dafür vom Bundesministerium für Finanzen als Anzeige lanciert, mit Konterfei des ÖVP-Finanzministers Pröll.

„Ich habe 23.901 Euro Schulden“ ziert als Werbebotschaft diese Anzeige, die als Mutation auch ein fröhlich dreinschauendes Kind – dieses nur als Kopf – uns alle zum Sparen aufruft. Das ist Missbrauch der schäbigsten Art. Verwunderlich, dass sie von einem Minister jener Partei kommt, die sich gegen Abtreibung, für die Bewahrung der Traditionsfamilie usw. stark macht. Ist das Ungeborene – ist es ein ungeborener Österreicher, ist es ungeborener Asylant, ist es ein Ungeborener mit noch ungeborenem Migrationshintergrund – wirklich bereits mit 23.901 Euro verschuldet? Ist das der ÖVP-Blick auf werdendes Leben, auf Elternglück, auf Mut zu Kindern, auf Lust auf diese Zukunft in Österreich?

Klar, jeder von uns, heißt es in der Anzeige dann weiter – „Sie, Ihre Oma, Ihr Nachbar, jedes Kind" – trägt aufgrund dieser Sichtweise „Steuerschulden“. Meine Oma warnte wie auch der Finanzminister vor Schulden, niemals hätte sie die verschleiernde Wortwendung „Kredite bedienen“ in den Mund genommen. Sie meinte Konsumschulden, über Staatsschulden wurde damals wenig geredet.

Zurück zum Ungeborenen, zurück zum Kind: Warum müssen Klischees bedient werden, um die Emotion zu entfachen, wir alle hätten doch an der Steuer-Schuld zu tragen. Wenn Schulden personalisiert werden, gerät die Diskussion auf falsche Gleise. Ich halte nichts davon, etwa Karl-Heinz Grassers Bauchi oder sein Gesicht abzubilden und von Schulden zu schreiben. Auch 183 Nationalratsabgeordnete zu fotografieren und dazu von „haben für uns Schulden gemacht“ zu faseln, wäre letztklassig.

Wie wäre es aber, die wirklich Reichen, also die, die von den Zinsen ihrer Vermögen so überaus gut leben und auch gut leben sollen, zu fotografieren? Slogan: „Danke an alle Österreichern, dass die Vermögenssteuer abgeschafft wurde.“ Vielleicht reicht auch hier ein Bauch, eine beringte Hand, eine flotte Föhnfrisur, egal, den Werbeberatern des Bundesministeriums für Finanzen wird sicher viel einfallen.

Ich rufe alle Organisationen, die sich für Kinderrechte und Frauenrechte und Schutz des geborenen und ungeborenen Lebens immer wieder zu Wort melden auf, zu dieser Kampagne Stellung zu nehmen. Missbrauch hat bekanntlich viele Gesichter. Sich Schwangerer und Kinder zu bedienen, um das Thema Steuerschulden zu emotionalisieren, ist einer davon. Dann handeln wir doch. Gemeinsam.

 

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