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Ich nix Sozialhilfe

STICH-WORT

17/11/15 Herr W. hat alles richtig gemacht. Vor achtzehn Jahren ist er nach Österreich migriert, hat gleich Arbeit gefunden, arbeitete als „Schichtler“ und versuchte, neben der Arbeit („viele Stress, viel Arbeit, viel müde“) Zeit für seine Familie zu haben. Zeit, einen Deutschkurs zu besuchen, fand er nie.

Von Christina Repolust

Wozu auch? In der Firma verstand er die Aufträge und erfüllte sie gewissenhaft. In seiner Familie sprach man die Muttersprache, wie es auch sein soll. Und mit seinen Kollegen, auch den österreichischen, ging er manchmal auf ein Bier. Die Familie baute ein Haus, das Auto wurde regelmäßig am Samstag gewaschen – gibt es ein sichereres Zeichen für Integration? – und alles lief gut.

Dann wanderte die Firma ab, Herr W. verlor seine Arbeit, er und vier seiner Kollegen sitzen im Auffrischungskurs „Deutsch“ als Vorbereitung für eine weiterführende Bildungsmaßnahme. „Ich immer Arbeit, nie Sozialhilfe, immer Arbeit, alles bezahlen selber.“ Ja, das haben wir doch den „Neuen“ im Staate gesagt: Ihr dürft nicht auf unseren Taschen liegen. Das hat Herr W. gleich kapiert, hat sich nur in sein selbst finanziertes Bett gelegt und meistens hat er geschuftet, Überstunden waren willkommen, in der Firma und im Budget beim Hausbauen. „Jetzt lerne ich wie Kinder.“ Auch das hat der 50-Jährige gut erkannt: Er muss das Deklinieren, das Konjugieren und das Lesen einfacher Texte trainieren. Dabei hat er doch alles erreicht, was man sich in Österreich von einem gut integrierten Österreicher wünscht: Arbeit, Haus, Familie, Auto, Fußball, Leberkässemmel, manchmal ein Bier, netter Nachbar sein, den Leuten im Ort gern helfen. Mit seinen Deutschkenntnissen – er versteht mehr als zu artikulieren, also zu sprechen vermag – „kam er bisher gut durch“.

Aus dem netten Kerl ist ein Arbeitssuchender, also ein Arbeitsloser geworden, dessen Deutschkenntnisse auf einmal thematisiert werden. Seine Firma profitierte davon, dass er „immer für Firma da gewesen“ ist, sich nicht die Zeit für aufbauende Deutschkurse genommen hatte. Jederzeit verfügbar, das war Herr W., jetzt ist die Firma weg und er sitzt skeptisch vor den Nomen, für deren jeweilige Artikel er wenig Begeisterung aufbringen kann. Mit „Zeitung, Kaugummi und Cola“ hat er sich am Morgen bei der Tankstelle noch versorgt, er hat alles bekommen, die Krone liest er gern.

Wenn heute über bildungsferne Schichten geredet wird, sollte doch auch die Frage gestattet sein: Warum drängen Firmen nicht darauf, dass ihre Arbeiter Deutschkurse besuchen, die Integrationsvereinbarung erfüllen, also Deutschprüfungen von A1 bis B1 ablegen. Gibt es die Bereitschaft, die regelmäßige Teilnahme an den Kursen am Abend zu gewährleisten? Gibt es gar Deutschkurse in den Firmen? Gibt es die klare Aussage: Wir wollen, dass ihr gut Deutsch lernt, dass ihr die Sprache von Grund auf lernt. Wir reden mit euch und bessern eure Fehler aus, wir wollen, dass ihr flüssig Deutsch redet.

„Muss Arbeit finden, will arbeiten, nicht lernen!“ – Wie viele Österreicher haben das gesagt und sich gefreut, als die Schule endlich vorbei war?

 

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