Ich Kebab – Du Wurscht
STICH-WORT
09/11/15 Nein, das ist kein Zitat aus einem Kabarett-Programm. Das ist aus dem echten Leben, so weit man Sprachprüfungen auf dem Niveau A1 (niedrigstes Niveau, Europäischer Referenzrahmen) zum echten Leben rechnen will.
Von Christina Repolust
Hier wird nämlich – auf jedem Sprachniveau – mit den Kandidaten und Kanditatinnen laut, deutlich und interessiert gesprochen. „Ich Kebab“ war die Aussage eines Kandidaten bei seiner Vorstellung bei der mündlichen Prüfung. Er wollte uns erzählen, welchen Beruf er ausübt. Wir haben ihn verstanden, jeder und jede hätte ihn verstanden, hätte das Kebab gerochen, Hunger bekommen und vielleicht nicht weiter nachgefragt, Grammatik ergänzt. Mensch, habe ich Hunger!
Er wird auch an seinem Arbeitsplatz verstanden, schließlich arbeitet er seit zwei Jahren dort: Er bedient seine Kunden vermutlich ebenso freundlich, wie er hier bei seiner Deutschprüfung Augenkontakt hält und so gern mehr erzählen würde. Er hat eine Wohnung, eine Frau, ein kleines Kind und auch einen Hund. Auch das Auto wollen wir nicht vergessen. Gern geht er mit seiner Familie spazieren. „Spazieren“, ja, so verstehen wir gleich die Szenen, sehen ihn mit Frau, Kind und Hund irgendwo in Österreich seine Freizeit verbringen. In den Bereichen „Leseverstehen“ und „Hörverstehen“ hat er fast die höchste Punkteanzahl erreicht, beim Schreiben und Sprechen wird es eng. Wollte er sich hier verbessern, brauchte er nämlich ein Gegenüber. Menschen, die mit ihm reden, auf Deutsch und mit Interesse. „Wie alt ist Ihr Kind?“ „Ist 8 Monaten alt!“ – Schon könnte man den Satz in richtiger Grammatik wiederholen. So könnte Herr X. lernen, Satz um Satz.
Herr X. hat Arbeit, „nix Sozialamt!“, hat eine Familie, geht spazieren, hat einen Hund – eigentlich ist er doch integriert. Er kann gut lesen und Gehörtes richtig zuordnen. Menschen mit Migrationsgeschichte sollen Deutsch lernen und dann gut verständlich sprechen, so die Forderung. Doch mit wem sollen sie jetzt Deutsch reden, auf Knopfdruck? Wer spricht im Alltag Herrn X. auf seinen Hund an? Wer fragt nach Frau und Kind? Das machen seine Freunde, seine Familie – und die berechtigterweise nicht auf Deutsch. „Ich Kebab“ ist doch das Ergebnis von jahrelangem „Du Wurscht“ jener Gesellschaft, die vom Deutschlernen der anderen redet und meint, es reiche es, Deutsch in Kursräumen und aus Büchern zu lernen.
„Ich liebe meine Frau“: Das hat er im Prüfungsabschnitt „Schreiben“ fehlerfrei hingeschrieben. Das passte zwar nicht zur Aufgabenstellung, hat mich aber beeindruckt.