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Leseratten, Bücherwürmer

 

STICH-WORT

31/10/14 „Treffpunkt der Leseratten“ titelt die Salzburger Wirtschaftskammer wacker ihre Pressemeldung zur Salzburger Buchwoche (am Dienstag, 4. November, geht es los). Da rotten sich also die Leseratten an einem bestimmten Ort zusammen. Dem Vernehmen nach im WIFI. Hoffentlich kommen ihnen dort die Bücherwürmer nicht in die Quere.

Von Reinhard Kriechbaum

Futterneid ist eher nicht angebracht, auch wenn die Hauptnahrung beider Spezies aus Druckbuchstaben besteht. Die Fachgruppe Buch- und Medienwirtschaft in der Wirtschaftkammer ist ja drauf aus, den Leserinnen und Lesern – egal ob sie nun mehr dem Ratten- oder dem Wurm-Lager zuneigen – mit der Buchwoche zu vermitteln, wie unendlich reichhaltig, ja unerschöpflich des Lesefutter ist. Und sie hat damit so unrecht nicht. Es wird, trotz Jammerei über die E-book-Konkurrenz, Gedrucktes en masse produziert.

Der Bücherwurm: Das Wissen um sein Aussehen verdanken wir Carl Spitzweg, er hat das Motiv übrigens gleich in drei Versionen gemalt. Kunsthistoriker gehen davon aus, dass Spitzweg auch Leseratten sich zu porträtieren anschickte, aber die Mistviecher waren einfach zu schnell beim Buchstabenverschlingen und schon weg, wenn die richtige Farbe angerührt war. Malerei ist einfach das falsche Medium dafür. Die Fotografie wäre in Spitzwegs letzten Lebensjahren zwar schon erfunden gewesen, aber man musste noch beachtliche Zeit still halten vor dem Objektiv. Auch da ging also nichts mit den Leseratten.

Halten wir uns also an den vom Temperament her maßvolleren Bücherwurm. Nicht an jene rund 150 Arten vorwiegend aus dem Reich der Insekten, die Bibliothekaren und Archivaren das Leben schwer machen und denen am ehesten der Kammerjäger mit seinem chemischen Waffenarsenal auf die Pelle rückt. Wir meinen wirklich den Bücherwurm, den Verwandten des Spitzweg’schen alten Herrn auf der Leiter, der in einem Buch liest und weitere Schmöker unter den Arm und zwischen die Knie geklemmt hält.

Der Bücherwurm kann sich auf Lessing berufen, und das passt zu seinem gelehrten Wesen. Lessing soll das Wort nämlich als erster gebraucht haben, 1749, in seinem Theaterstück „Der junge Gelehrte“. Die Metapher meint dort nichts Positives, es schwingt Spott mit. Der Wort-Schuss ging für Lessing übrigens nach hinten los: Als Bibliothekar in Wolfenbüttel schaffte er selbst Tausende von sündhaft teuren Büchern an, sodass man ihn als "Bücherwurm" verunglimpfte.

Wann genau aus dem lesenden Gewürm etwas Positives geworden ist, kann man nicht festmachen. Tatsache ist jedenfalls, dass es die passionierten Leser nicht gar so gut getroffen haben mit den für sie üblichen Vergleichen aus der Tierwelt. Partylöwe wäre schon ganz etwas anderes als Bücherwurm oder Leseratte!

Die Leseratte taucht angeblich im späten 19. Jahrhundert auf. Möglicherweise kam es zu dem Bild, weil man mit Ratte Gefräßigkeit verbindet, und gar so wählerisch sollen diese Tiere bei der Auswahl ihres Futters ja auch nicht sein. Die Leseratte in des Wortes ursprünglicher Sinngebung frisst Gedrucktes wahllos, dafür in großen Mengen in sich hinein. Aus einem Lexikon aus dem Jahr 1943: „Eine unerfreuliche Erscheinung ist die Leseratte, die sich kennzeichnet durch die völlige Wahllosigkeit, mit der sie alles Erreichbare, Lesbare in sich hineinschlingt, vom Kochbuch bis zu Zarathustra. Die Leseratte ist übrigens streng zu unterscheiden vom Typ des Bücherwurms.“

Aber so wie mit dem Bücherwurm ist es auch mit der Leseratte letztlich imagemäßig bergauf gegangen. Und es ist ja schließlich egal, ob Leseratten oder Bücherwürmer: Hauptsache kein Couch-Potatoe vor dem Fernsehgerät. Wenn schon daliegen oder lümmeln, dann wenigstens mit einem klassischen Buch in der Hand.

Die Salzburger Buchwoche dauert von 4. bis 8. November. Die traditionelle Buchausstellung konzentriert sich heuer auf die Salzburger Verlage. Eine große Kinder- und Jugendbuchausstellung ergänzt das Angebot. Die Buchausstellung im WIFI-Foyer ist von 4. bis 8. November täglich von 8.30 bis 22 Uhr geöffnet. - www.wko.at

 

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