Land unsrer Väter...
STICH-WORT
25/04/23 Gleich in der zweiten Zeile heißt es Garten behütet von ew’gem Schnee. Wer mag so etwas schon singen in einer erderwärmten Zeit, in der sich die Pasterze zusehends in ein dunkelgraues Matsch- und Geröllfeld wandelt. Dunkelnden Wäldern träumend zu Füßen friedliche Dörfer am sonnigen See: Auch voll daneben angesichts maroder Fichten. Nur unzulänglich Schatten am Gestade.
Von Reinhard Kriechbaum
Aber darum geht es der IG Autorinnen und Autorinnen nicht, die sich die Hymnen der österreichischen Bundesländer genauer angeschaut und gleich vier Landeshauptleuten geschrieben hat, dass akuter Korrekturbedarf herrsche. Ganz besonders schlecht kommt die Salzburger Landeshymne weg, ob ihrer gar zu sehr schollen-wurzelnden Schöpfer. Und dann ist auch noch von grammatikalisch nicht ganz koscherem „kitschig-pathetischen Schollenschwulst“ die Rede!
Da wackeln wir recht(s) geerdeten Salz-Landesbürger mit den Ohren. Und wenn die Glocken den Reigen beginnen / rings von den Türmen vergangener Zeit, / schreitet durch einsamer Straßen-Sinnen / Mozart und seine Unsterblichkeit. Nur Wiener Intellektuelle können auf die Idee kommen, uns solch hintergründige Poesie madig zu machen.
Wie also ist das mit der Landeshymne, ihrem Textdichter und ihrem Komponisten? Ernst Sompek habe sich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich gebrüstet, illegales österreichisches NS-Parteimitglied gewesen zu sein, schreibt die IG Autorinnen und Autoren. Solches liest man im Salzburg-Wiki oder auf Wikipedia nicht über den braven Schuldirektor und Dirigenten der Salzburger Liedertafel. Auch nicht, dass der Verfasser des Texts, Anton Pichler, ein „kriegsverherrlichender Priester“ gewesen sei. Zu einem je eigenen Eintrag im Salzburger Kulturlexikon haben es die beiden verdientermaßen nicht gebracht. Das Stichwort Landeshymne wird dort höchst lapidar abgehandelt.
Aber lange braucht man nicht zu googeln. Pichler schrieb 1916, also mitten im Ersten Weltkrieg, ein Buch Im Kampf ums Vaterland. Erbauliches wie Die Glocken der Heimat und andere Volkserzählungen (1924) oder Goldener Blumenstrauß – Gedichte für Feste im deutschen Haus (1925) war damals gefragt. Pichler war straßen-sinnend voll in Fahrt mit seinen heimatverbundenen Reimen. Die Pichlergasse in Maxglan ist aber nicht nach ihm, sondern nach dem Lehrer, Lyriker und Historiker Georg Pichler (1806-1864), dem Autor einer Salzburger Landesgeschichte, benannt. Zu Straßen-Ehren (in der Riedenburg) kam immerhin der Tonsetzer Ernst Sompek.
Die Stunde der Landeshymne schlug am 15. Mai 1928. Landeshauptmann Franz Rehrl wollte eine solche unbedingt haben. Im Austria Forum erfahren wir online etwas mehr darüber: In der Knabenschule St. Andrä wurde das gute Stück dem Landeshauptmann und den Mitgliedern des Salzburger Landtags vorgestellt. Die Hymne wurde vom Schülerchor unter der Leitung des Schuldirektors Laimböck gesungen, der Vortrag wurde durch den Komponisten am Klavier begleitet. Anschließend spielte die Musikkapelle der Alpenjäger, die im Hof Aufstellung genommen hatte, unter der Leitung von Kapellmeister Hüttisch eine Instrumentalversion. Danach wurde die Hymne noch einmal vom Schülerchor gesungen. Der Vorführung war ein durchschlagender Erfolg beschieden: die Abgeordneten gratulierten den Schöpfern des Liedes zu ihrem Werk.
Schon zwei Wochen später der einstimmige Landtagsbeschluss:
1. Die von den Herren Bürgerschuldirektoren Pichler und Sompek in Text gesetzte und vertonte Hymne wird als Salzburger Landeshymne erklärt.
2. Den genannten Herren wird der Dank des Landtages für ihre Bemühungen ausgesprochen.
3. Die Landesregierung wird beauftragt, diesen Herren den Dank schriftlich zu übermitteln, weiter dafür Sorge zu tragen, dass die Hymne in den Schulen im Lande geübt und bei allen feierlichen Anlässen, die das Land betreffen, vorgetragen werde. Auch ist dafür zu sorgen, dass die Hymne in den weitesten Kreisen der Bevölkerung Eingang finde.
Reich sind Sompek und Pichler also wohl nicht geworden, aber die Ehre war enorm. Ob es sich ernsthaft noch lohnt, über den literarischen und musikalischen Mist ernsthaft zu diskutieren? Die Zeiten sind hoffentlich vorbei, wo Volksschülerinnen und -schülern der Text der Landeshymne eingebläut wurde. Eine gesetzliche Regelung aus neuerer Zeit – im Landesgesetzblatt Nr. 84 aus 1982 – schreibt in der „Landwirtschaftlichen Lehrpläneverordnung“ vor, im Gegenstand Singen unter anderem die Landeshymne zu lehren. Im Kirchengesangsbuch Gotteslob steht nur noch die vergleichsweise unverdächtige Bundeshymne. Dabei täte die Landeshymne gut passen bei einem Prozentanteil von neuerdings elf Prozent Kommunisten: Du, der in ewigen Höhen da droben, / breite die Hände und schirme dies Land!