Jude und Nazi für die Festspiele
STICH-WORT
17/08/18 Natürlich kam die Idee, in Salzburg Festspiele zu machen nicht von heute auf morgen. Der damals länger schwelende Gedanke macht es möglich, dieser Tage eine Feierstunde „100 Jahre Festspielidee“ abzuhalten, die aber auch schon voriges Jahr hätte stattfinden können. Zwei politisch denkbar gegensätzliche Proponenten: Max Reinhardt und Heinrich Damisch.
Von Reinhard Kriechbaum
Aber mit dem 15. August, an dem jetzt der Verein der Freunde der Salzburger Festspiele am Nachmittag ins Mozarteum zum Centenariums-Gedenken geladen hatte, hat es tatsächlich eine Bewandtnis: Da fand die erste ordentliche Generalversammlung des schon ein Jahr zuvor in Wien und in Salzburg gegründeten Vereins „Salzburger Festspielhaus Gemeinde“ statt.
Der Reihe nach: Am 25. April 1917 übermittelte Max Reinhardt seine Denkschrift zur Errichtung eines Festspielhauses in Hellbrunn von Berlin aus an die Generalintendanz der k. k. Hoftheater in Wien. Eindringlich warb er darin für Festspiele in Salzburg „als erstes Friedenswerk“. Reinhardt versuchte damals schon die öffentliche Meinung und die Politik auch mit wirtschaftlichen Argumenten für das Festspielprojekt zu gewinnen. Kein leichtes Unterfangen in einer Zeit, in der Österreich und Salzburg unter Hunger und Kriegsnot zu leiden hatten. Er versprach, dass Touristen aus dem ganzen deutschen Sprachraum, vor allem aber aus Bayern, allsommerlich ihr Geld anlässlich des Festspielbesuches nach Salzburg bringen würden. Max Reinhardt propagierte damals schon die Festspiele als künstlerischer und ökonomischer Motor einer ganzen Region. Wie Recht er haben sollte, hat er selbst nicht mehr erlebt.
Zur selben zeit, am 28. April 1917, reichte der Musikschriftsteller und Journalist Heinrich Damisch, der schon in Wien eine Mozart-Gemeinde gegründet hatte, namens des Vereins „Salzburger Festspielhaus Gemeinde“ dessen Statuten beim k.u. k. Ministerium des Inneren mit der Bitte um Genehmigung ein. Was man in Feierstunden, die Festspiele betreffen, logischerweise nicht an die große Glocke hängt: Heinrich Damisch war nicht nur einer der Proponenten für die Gründung der Salzburger Festspiele, er war auch ganz früh Mitglied der NSDAP. Der Historiker Gert Kerschbaumer bezeichnete im Buch "Begnadet für das Schöne" (verfasst mit Karl Müller, Wien, 1992) Heinrich Damisch als „ideologischen Wegbereiter des Anschlusses und des Judenpogroms". Max Reinhardt hätte sich vermutlich nicht träumen lassen, dass sein Mitkämpfer in Sachen Festspiele zwanzig Jahre später einen Artikel über die „Verjudung des österreichischen Musiklebens“ schreiben und sich für ein „Westfestspielhaus“ mit Blick auf den Obersalzberg einsetzen würde. Damals, 1938, war Reinhardt bereits im amerikanischen Exil und sein Schloss Leopoldskron wurde gerade enteignet.
1917 jedenfalls bemühte er sich Damisch noch Schulter an Schulter mit Max Reinhardt um künftige Festspiele. Am 1. August 1917 fanden sich dann beide Interessensgruppen, das Wiener und das Salzburger Proponentenkomitee, im Richard Wagner Saal im Wiener Musikverein zur Gründungsversammlung ein. Am 7. Dezember hielt auch der Salzburger Verein seine Gründungsversammlung ab.
Am 15. August 1918 schließlich – und daran wurde jetzt das Gedenken „100 Jahre Festspielidee“ festgemacht – hielt der Gesamtverein seine erste ordentliche Generalversammlung unter dem Vorsitz von Vizepräsident Karl A. Artaria im Marmorsaal von Schloss Mirabell ab. Der Journalist Rudolf Holzer hielt damals die Festrede zum Thema „Die Festspiel-Idee“. Am Nachmittag fand die Begehung der möglichen Bauplätze für das Festspielhaus statt, abends besuchten die Sitzungsteilnehmer ein Festkonzert im Mozarteum. Am Vortag gab es bereits die erste Sitzung des Direktoriums im Hotel d’Europe. Auf der Tagesordnung stand unter anderem der Antrag von Heinrich Damisch, einen mehrgliedrigen Kunstrat für künstlerische Fragen und programmatische Direktiven einzusetzen. Als Mitglieder sollen Max Reinhardt, Franz Schalk und Richard Strauss gewonnen werden. Die Generalversammlung bestätigte die jeweils neun vom Hauptverein Wien und vom Zweigverein Salzburg gewählten Mitglieder des Direktoriums und beschloss die Einsetzung des Kunstrates.
Am Mittwoch (16.8.), bei der Feierstunde im Mozarteum. spielten Mitglieder der Wiener Philharmoniker auch Richard Strauss‘ Sextett für Streicher aus der Oper Capriccio, das damals, 1918, noch lange nicht komponiert war. Daran arbeitete Strauss in den 1930er Jahren, als sich die politische Lage extrem zuspitzte. Da zog er sich zurück in den apolitischen Elfenbeinturm der Kunst und sinnierte darüber, was in der Oper wohl wichtiger wäre, der Text oder die Musik...
PS: Nach Heinrich Damisch ist eine Gasse in Salzburg/Parsch benannt. Man sollte, was die Dringlichkeit des Straßen-Umbenennens anlangt, vielleicht nicht immer nur über Hitlers Lieblingsbildhauer Josef Thorak reden.