Wieder mal in den Schlagzeilen
STICH-WORT
10/10/16 Tobi Reiser und seine braune Vergangenheit: Das ist immer ein Blätterrauschen wert, so auch dieser Tage im Vorfeld eines Symposions am Samstag (8.10.), in dessen Rahmen der Historiker Oliver Rathkolb seine Untersuchung zur Causa vorstellte. Sie liegt nun auch gedruckt vor.
Von Reinhard Kriechbaum
Gerade ist im Wien Museum eine Ausstellung zu sehen, in der es um den Hut geht. Als Kopfputz schon auch, aber primär um die Kopfbedeckung als politisches Statement. Für Juden war es mit Trachtenhut und Gamsbart 1938 ganz schnell vorbei. Salzburg (wo Festspielkünstler ebenso wie das Publikum sich so gerne „trachtig“ anlegten) war Vorreiter, und bald zog ganz Österreich mit dem Verbot nach: Keine Juden mehr in Tracht!
Was in der Wiener Ausstellung nicht dabei steht: Eine der lautesten Stimmen gegen Juden in Lederhose und Dirndl war damals jene von Tobi Reiser. Mit diesem - nach dem Anschluss politisch höchst opportunem - Engagement ist er noch im selben Jahr vom glücklosen Fleischhauer in der Kaigasse zum Sachbearbeiter für Volksliedpflege beim Reichsnährstand aufgetiegen.
Solche und viele andere Dinge sind dem Buch von Oliver Rathkolb zu entnehmen. Übrigens – das hebt der Heimatwerk-Leiter Hans Köhl dezidiert hervor – ist das Gutachten von den Freunden des Salzburger Adventsingens und vom Salzburger Heimatwerk ausgegangen und nicht vom Land. Auch der Tobi-Reiser-Preis, der ohnedies schon seit 2013 ausgesetzt ist, ist nie vom Land vergeben und bezahlt worden. Der jeweilige Landeshauptmann (und kurze Zeit auch die Landeshaupfrau) haben sich nur als Überreichende im Lichte Tobi Reisers und der jeweiligen Ausgezeichneten gesonnt.
Dass es den Tobi-Reiser-Preis nicht mehr geben wird, wurde bereits im Mai kommuniziert. Salzburger Regionalpolitiker sind mithin nur Trittbettfahrten auf der hohen Woge der politischen Korrektness. Diese ist natürlich in der Sache alleweil angebracht. „So klingt Tobi Reiser“ hieß das Symposion am Samstag (8.10.), und da ging es um deutlich problematischere Klänge als um jene von Stubenmusi und chromatischem Hackbrett.
Der alte Reiser sang nicht nur aus Karrierebewusstsein das garstig politisch Lied des Nationalsozialismus mit, er war geradezu ein Vorsänger. Er sei deutlich mehr als ein Mitläufer gewesen – zu diesem Schluss kommt auch Oliver Rathkolb. Das Trachtenverbot für Juden, eben in Salzburg als erstem Bundesland gleich 1938 erlassen, war durchaus auch Reisers Zurufen geschuldet. Die „beste Waffe gegen das jüdische Gift“ sei eben das heimatliche Brauchtum, sollte Reiser später, 1941, schreiben. Das sind nicht die Töne eines Mitläufers...
„Es ist keine Frage mehr, dass die Volkskultur- und Volksmusikarbeit Tobi Reisers system- und herrschaftsstabilisierend gewirkt hat“, urteilt der Historiker von der Universität Wien. In der Zwickmühle ist man bei Reiser nicht zuletzt deshalb, weil er den Sound unserer aktuellen Volksmusik so nachhaltig mitgeprägt hat. Und das ganz unabhängig von welcher Ideologie auch immer. Es gibt also – musikalisch und eben stilbildend – auch genug Positives über ihn zu sagen. Man täte ja auch Wagners „Tristan“ unrecht, würde man da immer die Schrift „Das Judentumin der Musik“ miterwähnen.
„Viele Diskussionen der vergangenen Jahre um die Person Tobi Reiser stellten uns vor eine große Herausforderung: einerseits seine belastende Biografie zu beachten und andererseits seine große musikalische Leistung zu würdigen“, so Landesrat Schellhorn. „Es sind zwei Ebenen, die separat betrachtet gehören. Die Schlussfolgerungen, zu denen Prof. Oliver Rathkolb kommt, lassen es aus unserer kulturpolitischen Verantwortung nicht mehr zu, dass Tobi Reiser mit Ehrungen und Auszeichnungen verbunden wird“.
Einen neuen Namen für den Preis hat man übrigens noch nicht gefunden. Wird auch schwierig: Welcher Name kommt schon an die Popularität von Reiser heran?