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Eisprinzessin und fliegende Untertasse

FESTSPIELE / YDP / ÉTERNELLE IDOLE

19/08/12 Wenn man an einem Hochsommer-Nachmittag bei rund dreißig Grad in die Eishalle strebt, um dort ein Stück über die Einsamkeit einer Kunsteisläuferin vorgeführt zu bekommen: Kann gut sein, dass einem da das rechte Problembewusstsein abhanden kommt.

Von Reinhard Kriechbaum

Die französische Theatermacherin Gisèle Vienne ist derzeit mit zwei Produktionen eingeladen zum Young Directors Project bei den Festspielen. Für die eine, „Éternelle Idole“, sollte man trotz hochsommerlicher Temperaturen nicht zu leicht geschürzt ausrücken. Schließlich braucht auch Kunsteis eine gewisse Kühle. Aber keine Sorge, wer auf den Pullover vergessen hat und sich langen Unterhosen grundsätzlich verweigert, kann sich in eine warme Decke hüllen. „Faust I + 2“ steht drauf, ein Relikt also aus früheren, besseren Theaterzeiten bei den Festspielen.

Die 45 Minuten hält man also locker durch, im Sektor C der Eisarena im Volksgarten. Eine Stimmung in der mithin fast leeren Arena, als ob Red Bull zweistellig gegen die Hottentotten verloren hätte. Sponsor des YDP ist zwar Montblanc, aber es darf uns an diesem Ort nicht verwundern, dass sich Red Bull machtvoll ins Bild setzt, mit Werbebotschaften an der Bande. Und gleich am Beginn, wenn die Musik das erste Mal aufdröhnt, mit einem Kunsteiserzeugungs-Gerät. Bald darauf kurvt ein ätherisches Geschöpf ziel- und endlos in der Arena herum. Die Dame ginge bei der Wiener Eisrevue zwar nicht durch, aber ein paar ästhetische Tanzschritte und sogar ein paar Pirouetten und Sprünge hat sie drauf. Wir sollen lernen: Eislaufen ist eine überirdisch wundersame Sache. Aber es kostet Mühe, das zu lernen. Eine Gruppe von Elevinnen ist dabei, die den Gleichschritt zu üben. Die Eisprinzessin in weiß ist ihr „Éternelle Idole“. Und da ist sie auch schon inmitten der Gruppe, der nebulose Schwarm all der Kleinen und Mittelgroßen.

Dann Eishockeyspieler bei der Morgenarbeit, siebzehn Leute. Das verwundert sogar einen Sport-Unkundigen. Aber es wird in der Nebel- und Metaphernsuppe auf der Eisfläche schon auch dies seinen tieferen Sinn haben.

Könnte sein, dass die blütenweiße Eisprinzessin was mit ihrem Trainer hat, aber Genaueres ist der kurzen Szene nicht zu entnehmen. Dann kommt’s wieder dick, in Schwaden nämlich. Ein Außerirdischer (oder ein Eishockey-Golem, so genau sieht man das auf die Ferne nicht) holt die ohnmächtig zusammengesunkene Eisprinzessin, und im dichten Gewölk des Bühnennebels ist eine fliegende Untertasse gelandet. Dann ist Spektakel, das pathologische Poesie-Fetischisten für eine solche halten könnten, zu Ende. Aus, vorbei, ohne irgendwelche Spuren im Gemüt der verlegen applaudierenden Zuschauer hinterlassen zu haben. Und wie haben wir erst, in diesem Stück ohne Worte, die beruhigende und Halt gebende Stimme von Ingrid Wendl vermisst: Doppelachsel, dreifacher Rittberger, Toeloop.

Kunsteis-Artisten investieren viel Lebenszeit in ihr „Éternelle Idole“. Das ist nicht immer so gescheit. Manchmal kommt man sich als Theaterbesucher auch vor wie so ein Eisläufer.

Weitere Aufführungen am 19., 20. und 21. August, jeweils um 18 Uhr – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF / Wolfgang Lienbacher
Zum Kommentar {ln:Es muss ein Preis sein}
Zur Meldung Preiswürdig trotz Total-Vernebelung
Zur DrehPunktKultur-Besprechung Schall und Rauch oder: Kitsch as Kitsch can
sowie zu den weiteren Besprechungen vom Young Directors Project
„Lenzens Eseley“ im Luftkurort und Die Fallen und die Langeweile

 

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