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Wo die Antimoderne blüht und gedeiht

MUSEUM DER MODERNE / MÖNCHSBERG / ANTI:MODERN

22/07/16 Niemand zweifelt ernsthaft an dem Satz, der aussagt, dass Salzburg im zwanzigsten Jahrhundert und im Großen und Ganzen bis heute antimodern ist. Nein, das ist kein Klischee. Aber eine umfassende Ausstellung zeigt jetzt bemerkenswerte Initiativen der Moderne am Ort.

Von Werner Thuswaldner

Es ist vom Museum der Moderne auf dem Mönchsberg sehr verdienstvoll in einer großen Ausstellung zu zeigen, wie groß die Bemühungen zeitweise gewesen sind, gegen diese bornierte Haltung anzukämpfen. Die große Sommerausstellung im Museum der Moderne zeigt dies für die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg und macht auch noch ein paar Hinweise auf die Nachkriegszeit. (Sommerakademie, documenta).

Die Frage ist: Wer auch hätte die Moderne in Salzburg tragen sollen? Ein aufgeschlossenes Bürgertum, das wie in anderen Regionen Europas mäzenatisch dafür hätte eintreten sollen, gab es nicht. Es existierten ein paar Kaufmannsfamilien, die inzwischen alle zu Grunde gegangen sind. Der röhrende Hirsch im Wohnzimmer und der Schutzengel, der zwei Kinder über die Brücke geleitet, deckten weitgehend den Kunstbedarf. Die Kirche hatte sich im Unterschied zu früheren Jahrhunderten als Kunstauftraggeber abgemeldet.

Die Ausstellung befasst sich nicht mit der vehementen Ablehnung und Bekämpfung der Moderne, nicht mit den verständnislos-gehässigen Stellungnahmen völkischer Kreise. Vielmehr trägt sie fast alles, was es an zeitgemäßen Initiativen gab, die alle von außen gekommen waren, zusammen. Es ist erstaunlich viel, was trotz der Salzburger Verstocktheit passieren konnte, in der Kunst, in der Wissenschaft, sogar in der Architektur. Am spannendsten waren die zwanziger Jahre. Es gab einen Weltkongress der Psychologie. Die Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) wurde ausgerechnet hier gegründet. Die Tänzerin Isadora Duncan gründete gemeinsam mit ihrer Schwester Elizabeth eine Tanzschule in Kleßheim. Die Technik holte in Gestalt der Großglockner Hochalpenstraße und der Kraftwerksgruppe Kaprun zu Großtaten aus. Die Festspiele wurden gegründet (Hans Poelzig konnte seinen kühnen Entwurf für ein Festspielhaus in Hellbrunn vorlegen). Die Frauenbewegung fasste Fuß. Künstler fanden sich zu den mehr oder weniger aufgeschlossenen Gruppen „Wassermann“ und „Sonderbund“ zusammen.

Im folgenden Klerikalfaschismus ging es nicht so weiter, und die Nazis räumten ab 1938 mit Bestrebungen der Moderne vollends auf. Wie weit weg sie von der zeitgenössischen Kunst waren, zeigt der Fall der Fresken von Anton Faistauer im Foyer des alten Festspielhauses. Die harmlos-biedere kunstgewerbliche Arbeit war den neuen Machthabern schon zuviel. Sie mussten abgenommen werden.

Gleichwohl existierten in der Zwischenkriegszeit Einzelgänger, die den Kontakt mit internationalen Entwicklungen hielten: Georg Jung, Albert Birkle und auch Helene von Taussig, die wie einige andere aus Wien zugezogen war und die später von den Nazis ermordet wurde, gehörten dazu.

Die Ausstellung hat den Ehrgeiz, einige zeitgenössische Positionen der Kunst in den Ablauf einzustreuen, lenkt aber damit vom Kernthema ab. Was soll man damit anfangen, wenn ausführlich eine von dem Philosophen Otto Neurath entwickelte, spezielle Darstellungsweise von Statistiken auf das Dubai von heute angewendet wird?

Sehr ergiebig könnte es sein zu zeigen, wie es mit der Antimoderne nach dem Zweiten Weltkrieg in Salzburg weiterging. Sie blühte und gedeihte, und das nicht nur im „Museum volksnaher Kunst“. Erst in den sechziger Jahren erinnerte man sich da und dort an die Moderne, und da wachten auch ihre eisernen Gegner, die Liebhaber der Heimatkunst, wieder auf.

Anti:modern. Salzburg inmitten von Europa zwischen Tradition und Erneuerung. Bis 6. November im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg – www.museumdermoderne.at
Bilder: Museum der Moderne

 

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