Fräulein Pontillon ist abgereist
HINTERGRUND / RESTITUTION
28/04/16 Nicht enthüllt, sondern verpackt wird hier die Pastellzeichnung „Jeanne Pontillon à la capeline“ von Berthe Morisot. Vor ziemlich genau einem Jahr hatte die Salzburger Landesregierung beschlossen, das Kunstwerk aus dem Museum der Moderne zu restituieren.
Gestern Mittwoch (27.4.) wurde das Werk im Museum der Moderne tatsächlich übergeben. Das Pastell war mit anderen Kunstwerken aus der Sammlung der jüdischen Bankiersfamilie David-Weill 1940 in Frankreich während der Nationalsozialistischen Zeit von der deutschen Militärverwaltung beschlagnahmt worden. Kunsthändler Friedrich Welz erwarb das Werk am 23. September 1977 bei einer Auktion im Dorotheum in Wien für die "Moderne Galerie und Graphische Sammlung Rupertinum" (seit 2003 Museum der Moderne Salzburg).
„Wir sind aus moralischen und historischen Gründen verpflichtet, das Bild zurückzugeben, denn es liegt klar in der Verantwortung der Politik, den Opfern von damals die Würde von heute zurückzugeben“, betonte Landesrat Heinrich Schellhorn bei der Rückgabe an die Erbengemeinschaft David-Weill, die von einer Pariser Kunsthändlerin vertreten wurde. „Die Erforschung der Herkunft der Kunstwerke in der Sammlung und - falls erforderlich - deren Restituierung an die rechtmäßigen Eigentümer zählen heute zu den Kernaufgaben von Museen und sind Ausdruck eines internationalen ethischen Standards“, bekräftigt auch MdM-Direktorin Sabine Breitwieser.
„In sieben Jahren intensiver Provenienzforschung wurden im Museum der Moderne Salzburg der gesamte Bestand an Gemälden sowie rund 1.400 aus der Zeit vor 1945 stammende Grafiken einer systematischen Prüfung unterzogen. Dabei konnte die fragwürdige Herkunft dieses Werkes von Berthe Morisot geklärt werden“, erklärt Sammlungsleiterin Beatrice von Bormann.
Berthe Morisot (1841-1895) gilt als eine der bedeutendsten Malerinnen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich. Sie malte bevorzugt Bildnisse, Interieurs und Landschaften im impressionistischen Stil und war Schwägerin von Éduard Manet. Der Wert des Bildes „Jeanne Pontillon à la capeline“ wird zwischen 50.000 bis 80.000 Euro geschätzt. Friedrich Welt hat es 1977 für 46.144 Schilling erworben. Der Ausrufpreis lag damals bei 9.000 Schilling.
Die Rückgabe ist möglich durch die 1998 von vierzig Staaten, darunter auch Österreich, ratifizierte „Washingtoner Erklärung“. Darin erklären sie ihre Bereitschaft, während der NS-Zeit entzogene Kunstwerke zu identifizieren, die Eigentümer oder deren Erben ausfindig zu machen und faire und gerechte Lösungen für Restitutionen zu finden. Streng genommen hätte man das Pastell von Berthe Morisot nicht hergeben müssen, denn er wurde nicht auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich entzogen. Die „Washingtoner Prinzipien“ können dennoch als Grundlage für eine freiwillige, auf moralische Erwägungen gründende Rückgabe herangezogen werden, heißt es in dem Regierungsbeschluss. (MdM/LK)