asdf
 

Räuber berauben Räuber

DOKUMENTATION / LANDESAUSSTELLUNG / SCHATZKAMMER

27/04/16 Waffen und Rüstungen, Gefäße aus Gold und Bergkristall, mittelalterliche Bücher, alte Pläne, antike Fundstücke: Unzählige Kunstobjekte haben ab 1800 Salzburg „verlassen“. Sprich wurden weggeführt oder geraubt. Von vielen fehlt bis heute jede Spur. Viele sind in Wien, München, Florenz oder Paris. 39 Kostbarkeiten sind nun als Leihgaben zurückgekehrt. – Hier die oft abenteuerliche Geschichte einiger herausragender Werke.

Der Jüngling von Magdalensberg ist einer der bedeutendsten römerzeitlichen Bodenfunde im Ostalpenraum. Die Bronzestatue wurde 1502 von einem Bauer beim Pflügen auf dem kärntnerischen Magdalensberg entdeckt und gelangte über Matthäus Lang (*1468, reg 1519-1540) bei seinem Amtsantritt als Erzbischof von Salzburg in die Mozartstadt.

Im Zuge der ersten Österreichwerdung Salzburgs 1806 wurde die Statue ins Wiener Antikenkabinett gebracht. Bei einer näheren naturwissenschaftlich-technischen Untersuchung gelangte eine Wiener Forschungsgruppe 1986 zu einem verblüffenden Ergebnis: Die vermeintlich antike Statue entpuppte sich als Abguss aus dem 16. Jahrhundert. Aus Quellen lässt sich rekonstruieren, dass sich ein ähnlicher Jüngling bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts in den Gärten von Aranjuez in Spanien befand. Danach verliert sich jede Spur. Wie und unter welchen Umständen das vermeintliche Original nach Spanien kam, gleicht einem frühneuzeitlichen Kriminalfall.

Als Salzburg 1805 erstmals österreichisch wurde, war jedoch der Doppelgängerjüngling nicht allein, als es 1806 darum ging Kostbarkeiten nach Wien zu bringen. Seitenlange Aufzählungen von Gemälden, alten Handschriften, Plänen, Manuskripten, archäologischen Fundstücken, Waffen, Rüstungen und Objekten der erzbischöflichen Schatzkammer zeugen vom Abtransport.

In die kaiserliche Sammlung in Wien eingegliedert wurde auch wichtige Archivalien, wie der Codex Odalberti (934-935). Diese Pergamenthandschrift aus St. Peter ist das älteste Salzburger Traditionsbuch. Es wurde 934/35 am Ende der zwölfjährigen Amtszeit von Abt Adalbert II. verfasst: Darin sind umfangreiche Tauschgeschäfte verzeichnet, die der Abt mit seinen sechs oder sieben Kindern vorgenommen hat, um Rechtssicherheit zu erlangen. Außerdem werden im Codex eindrucksvoll die wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Verhältnisse des Klosters im ausgehenden ersten Jahrtausend dargelegt.

Die Urkunde Papst Alexanders II. zur Gründung des Bistums Gurk ist eine kostbare Legitimationsquelle. Mit der 1070 ausgestellten Urkunde erlaubt der Papst dem Erzbischof Gebhard (1010-1088) die Gründung eines Bistums, an einem von ihm gewählten Ort der Erzdiözese, dessen künftiger Bischof dem Salzburger Erzbischof unterstellt wurde: Es handelt sich also hierbei um ein frühes Dokument der Salzburger Eigenständigkeit.

Aber auch die älteste österreichische Urkunde gelangte nach Wien: Die Bestätigung Kaisers Ludwigs des Frommen an die Salzburger Kirche die von König Karl dem Großen verliehene Immunität mit Königsschutz aus dem Jahr 816 bestätigt Salzburger Rechte aus Zeiten Karls des Großen. Immunität und Königsschutz garantierten der Salzburger Kirche unter anderem Freiheit in Bezug auf Gerichtsbarkeit, die Lossprechung von öffentlichen Abgaben und freie Verfügbarkeit über ihren Grundbesitz. Diese gesicherten Rechte bildeten somit einen fundamentalen Grundstein für Salzburg.

Die Archivalien wurden im Sommer 1806 auf Befehl Kaiser Franz I. hin in 58 Kisten verpackt nach Wien versandt. Später wurde die Vernichtung von Teilen des Salzburger Archivs angeordnet: Alle das Heilige Römische Reich betreffenden Dokumente wurden mit der Begründung ausgeschieden, dass sie im Druck oder in anderer Überlieferung vorlägen, ausgeschieden.

München als lachender Dritter zwischen Paris und Wien

Die Sammlung Salzburger Münzen im Kloster St. Peter war einzigartig um 1800. Als Kaiser Franz I. im Oktober 1807 Salzburg besuchte, legte ihm der Abt die Salzburger Gepräge chronologisch Stück für Stück vor. Der Monarch war von der Vollständigkeit überwältigt. Daraufhin bot Hagenauer dem Kaiser die Überführung der Kostbarkeiten in die K. & K. Münzsammlung an, worauf der Kaiser überraschenderweise nicht einging: „Beileibe nicht, diese Sammlung muss hier bleiben, sie gehöret zur Geschichte Salzburgs.“ Später im bayerischen Salzburg wurde 1815 die Sammlung kauft der bayerische König die Sammlung um immerhin 10.000 Gulden für die Akademie der Wissenschaften. Deren Sammlung ging später in die Staatliche Münzsammlung in München über.

Die Odyssee des Prunkharnischs von Erzbischofs Wolf Dietrichs von Raitenau (*1559-1617, reg 1589-1612), ist kaum nachzuzeichnen: 1816 sind Teile der Rüstung im Katalog eines Kunsthändlers in England verzeichnet, 1825 wird der Harnisch in einem Inventar in München erwähnt. Die Reitergarnitur besteht aus etwa vierzig verschiedenen Einzelteilen, die je nach den Erfordernissen verschiedener Turnierarten kombiniert werden konnten. Von den vielen Einzelteilen befindet sich mit 24 Einzelteilen der Hauptteil der Garnitur im Bayerischen Nationalmuseum in München, weitere acht Teile sind heute in der Wallace Collection in London. Ein Helm für Freiturniere ist im Besitz der Eremitage in St. Petersburg. Die Reise der Rüstungskomponenten lässt sich nur lückenhaft und mit manchen Mutmaßungen und unter bleibenden Widersprüchen rekonstruieren.

Räuber berauben die Räuber

Nach der zweiten Türkenbelagerung 1683 eigneten sich die siegreichen Truppen in Wien die sogenannte „Türkenbeute“ an. Diese bestand vorwiegend aus Zelten, Teppichen, Waffen, Fahnen - aber auch Handschriften. Besonders wertvoll ist eine orientalische Handschrift, die wohl aus dem Zelt eines türkischen Paschas, der seine Büchersammlungen mit ins Feld genommen hatte, „entnommen“ – also eh auch geraubt – wurde. Es handelt sich hierbei um einen Kamseh (= Fünfer) des aserbaidschanischen Dichters Nizami aus dem 12. Jahrhundert. Die Handschrift selbst wurde im 16. Jahrhundert angefertigt und ist eine mit kostbaren Illustrationen versehene Sammlung von fünf Versepen und beinhaltet Gleichnisse, Liebesgeschichten und Heldenerzählungen.

Diese Kostbarkeit aus dem safawidischen Iran – die Osmanen hatten sie wohl ihrerseits zuvor von dort erbeutet – gehörte bis zum Jahr 1801 zum Bestand der Hofbibliothek in Salzburg, ehe sie vom französischen Kommissär Neveu requiriert wurde. 1815 gelangt der „Kamseh“ als bayerische Restitution von Paris nach München in die heutige Staatsbibliothek.

Ein antiker Marmorlöwe aus dem 2. Jahrhundert legte eine „Rast“ in Salzburg ein. 1577 wurde er in Istanbul entdeckt und dank Geschäftsbeziehungen in das ehemalige Konstantinopel dürfte Erzbischof Johann Jakob von Kuen-Belasy (1560-1586) den Löwen nach Salzburg geholt haben. Es ist gut möglich, dass der Löwe in die heute nicht mehr bestehenden Wasserspiele der Sommerresidenz Rif eingefügt wurde. Damals gab man jedoch an, dass zu Beginn des Baus von Hellbrunn 1613 der Löwe bei Anif „ausgegraben“ wurde. Gesichert ist jedenfalls, dass der Löwe ab 1619 bei den Wasserspielen in Hellbrunn in die „Grotta dell’Idolo“ integriert wurde. Im Zuge der ersten österreichischen Herrschaft über Salzburg gelangte der Löwe 1804 nach Wien. Die mysteriöse Inschrift konnte bis heute nicht entziffert werden.

Machtwechsel seit 1800 in Salzburg

Auf das Erzstift folgte 1803 das Kurfürstentum Salzburg unter dem Habsburger Ferdinand III. 1805 fiel Salzburg und Berchtesgaden an Österreich und gelangte 1809 unter französische Verwaltung. 1810 wurde Salzburg an das Königreich Bayern angegliedert und fiel 1816 schließlich wieder Österreich zu.

Besatzungen seit 1800: 1800 durch französische Truppen, 1802 durch österreichische und bayerische Einheiten, 1805 und 1809 durch französische und bayerische Militärs. (Salzburg Museum/dpk-klaba)

Bilder: Salzburg Museum (1); dpk-klaba
Zum Kommentar Lernen Sie Geschichte!
Zum Ausstellungsbericht Erlesene Landesgeschichte

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014