Auch wir Mönche in Arkadien!
DOMQUARTIER / ST. PETER / VEDI NEAPOLI E POI MUORI
11/02/16 Auch ich in Arkadien! Der Satz taucht – auf Lateinisch – zum ersten Mal in einem Barockbild auf. Goethe hat ihn so recht populär gemacht in seiner „Italienischen Reise“. „Neapel sehen und sterben“ wird landläufig auch ihm zugeschrieben. Aber nein: Das hat ein Salzburger Mönch zuerst notiert.
Von Reinhard Kriechbaum
Pater Lukas Grass hat er geheißen, von 1699 bis 1701 dauerte seine „Italienische Reise“ (Goethe kam erst ein halbes Jahrhundert später zur Welt). Dieser Pater Grass hat in seinem Tagebuch vermerkt: „Vedi Napoli e poi muori!“ Das ist kein gutes Italienisch, sondern Neapolitanisch.
Finden täte man die Notiz (wenn's einem wer zeigte) auf der aufgeschlagenen Doppelseite links oben in der vierten Zeile. Genau das ist die Crux der neuen Ausstellung über die „Grand Tour der Mönche“ im Nordoratorium des Domes. Es liegen Archivalien da, sogar ziemlich aufregende. Aber da ist nichts, womit selbst einem interessierten Ausstellungsbesucher unmittelbar auf die Sprünge geholfen würde. An einem Buch wie diesem ginge man achtlos vorbei, weil selbst das Kleingedruckte auf dem Schildchen beim jeweiligen Exponat wenig aussagt. Schon gar nicht wird man mit der Nase aufs jeweils Besondere gestoßen.
Der Clou dieser Sonderschau wäre ein Buch, das in einem Glaskasten, im letzten Raum links hinten, auf geschätzter Höhe von einem Meter siebzig einen recht armseligen Platz gefunden hat. Aber größer gewachsene Besucherinnen und Besucher können gerade noch reinsehen. Diese „Inscriptiones Romae“ aus karolingischer Zeit (9./10. Jahrhundert) sind der allererste „touristische“ Rom-Führer. Er schickt seinen Benutzer mit dem Buch in der Hand auf genau beschriebene Routen. Auf der linken Buchseite findet man die Sehenswürdigkeiten linker Hand, auf der rechten Seite jene auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Was für eine Idee! Da hält der Polyglott-Verlag nicht mit.
Verhilft dieses Stück dem neugierigen Besucher zu einem Giraffenhals, so hängt das Faximile der ältesten Straßenkarte aus dem Mittelalter (12. Jahrhundert!), ein viele Meter langer Papierstreifen, etwa in Hüfthöhe herum. Will man es genauer ansehen, so muss man sich tief bücken, um sogleich festzustellen: Absolut nichts zu sehen! Die einzige Lichtquelle hat man nämlich im Rücken, und man macht sich selbst tiefsten Schatten. Auf dem Dunkelbraun des Papiers ist das fatal.
Schade um das nette Thema: Mönche von St. Peter waren ja immer wieder in Italien unterwegs, als Pilger, als Bildungsreisende (das meint der Begriff „Grand Tour“) oder in dienstlichen Angelegenheiten. Abt Albert Nagenzaun hat sich in Rom auch kunsthistorisch weitergebildet und begegnete Antonio Canova, dem berühmtesten Bildhauer unter Mozarts Zeitgenossen. Der gab ihm ein Empfehlungsschreiben mit. Das ist auch da, irgendwo, lieblos hingelegt von Archiv-Grabern, die alles sind. Nur keine Ausstellungsmacher. Hat niemand im DomQuartier die Expertise, in einem solchen Fall zeitgerecht hilfreich einzuspringen? Eine ordentliche Präsentation wäre in dem Fall keine Geld-, sondern ausschließlich eine Fantasiefrage.
Wie reiste ein Mönch? Eine Reisekiste wenigstens ist zu sehen, mit einem Paar Schuhe und einem Prälatenhut drinnen. Ein Reisealtärchen stand einem geistlichen Herrn gut an, und ein klappbares Besteck im Gepäck war gewiss hilfreich.
Erzabt Korbinian von St. Peter, bekanntlich ein ausgesprochener Musikfreund, hat manche Tagebuchaufzeichnungen seiner Mitbrüder von früher gelesen und weiß zu berichten: „Über die schlechte Kirchenmusik in Italien haben sie wiederholt geklagt.“ Aus Salzburg waren sie eben anderes gewohnt.