Wildnis – gibt es das noch?
HAUS DER NATUR / AUSSTELLUNG / WILDNIS HOCHGEBIRGE
07/01/14 Wildnis – gibt es das noch? War der Mensch nicht schon längst in allen noch so verborgenen Winkeln und Plätzen dieser Erde? Gibt es sie noch die „unberührte Natur“? Und was ist das überhaupt - Wildnis? Ferdinand Rieder, Hobbyfotograf, Bergführer und Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung zeigt im Haus der Natur Bilder von der „Wildnis Hochgebirge“.
Von Heidemarie Klabacher
Es gibt sie noch, die Flecken unberührter Natur, die noch nie von Menschenhand berührt, von Menschenfuß betreten wurden. Tatsächlich werden ihrer mehr! Wie das möglich ist, erklären die Experten von Nationalpark und Haus der Natur anschaulich: „Die Gletscher der Hohen Tauern erreichten etwa um das Jahr 1850 ihre Maximalausdehnung und unterliegen seitdem einem steten Rückzug. Das bedeutet, dass sie seit dieser Zeit mit ihrem Abschmelzen Flächen frei geben, die frei von jeder anthropogenen Veränderung sind, also Wildnis in ihrer ursprünglichsten Form. Wenn heute diese Moränen und Felsflächen langsam von Flechten und anderen Pflanzen-Pionieren wiederbesiedelt werden, dann entsteht hier Wildnis aus erster Hand, eine natürliche Dynamik ab der Stunde null.“
„Die Hochgebirgswildnis war es auch, die den damaligen Landtagsabgeordneten Dr. August Prinzinger vor hundert Jahren zur Initiative bewogen haben, im Stubachtal und Amertal Flächen für einen künftigen Nationalpark anzukaufen. Er kannte aus den USA die ersten Nationalparks und die Idee des Schutzes großflächiger naturbelassener Ökosysteme“, erinnerte Nationalpark-Direktor Wolfgang Urban bei der Vernissage. Die Nationalparkverwaltung habe sich in diesem Jahr intensiv mit diesem Pioniergeist, der weltweiten Nationalparkidee und der Wildnis, die auch in der EU Naturschutzpolitik an Bedeutung gewinnt, auseinander gesetzt. „Es ist aber gut, sich nicht ausschließlich historisch oder wissenschaftlich, sondern auch einmal künstlerisch diesem großen Thema ‚Wildnis‘ anzunähern.“
In 35 großformatigen Fotos zeigt die Ausstellung „Wildnis Hochgebirge“ ursprüngliche Naturlandschaften im Nationalpark Hohe Tauern. Dem Hobbyfotograf, Bergführer und Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung ist es gelungen, „sowohl die sanften und vertrauten als auch die abweisenden oder wilden Seiten der Hochgebirgslandschaft abzulichten“.
„In Expertenkreisen definiert man Wildnis heute zwar primär über einen ursprünglichen, unberührten Zustand der Natur, in die noch nie ein Mensch gestalterisch eingegriffen hat. Darüber hinaus erklärt man Wildnis auch über eine natürliche Dynamik in Lebensräumen. Das heißt, man überlässt die Natur, wie man sie jetzt vorfindet“, erklären die Experten vom Haus der Natur in einer Aussendung. „Im Nationalpark Hohe Tauern finden wir viel von dieser Wildnis. Denn selbst im Hochgebirge ist der menschliche Einfluss vergangener Jahrhunderte nicht zu übersehen. Hier wurde bereits in historischer Zeit der Wald gerodet, um Flächen für Bergmahd und Almwirtschaft zu schaffen.“ Dazu kommt also die „Neue Wildnis“ wie sie unter dem abschmelzenden einstmals „Ewigen Eis“ hervorkommt.
Die Botschaft des Fotografen an die Betrachter seiner Bilder ist relativ klar: „Ferdinand Rieder will sensibilisieren für unsere schöne und wilde Natur. Es muss dabei nicht immer ein besonderer Gipfel, ein Rudel Steinböcke oder ein majestätischer Steinadler sein, die Schönheit kann man auch im Kleinen entdecken.“ Mit scheinbar unspektakulären Bildern etwa von einer bärtigen Flechte, einem kahlen Stein oder einem verborgenen Moor wolle der Fotograph und Naturexperte darauf aufmerksam machen, „welch ungewöhnlich schöne und vielfältige Naturlandschaft direkt vor unserer Haustüre liegt“.
Ferdinand Rieder arbeitet seit 1985 als Bergführer beim Nationalpark Hohe Tauern. Oft sei er mit Gästen in den Bergen unterwegs und entdecke dabei jene Motive, die er dann später – allein unterwegs mit der Fotoausrüstung – einzufangen versuche. Wie für jeden Fotografen ist besonders für den Naturfotografen das Licht eine entscheidende Komponente: „Berge beispielsweise zeigen sich im Morgen- oder Abendlicht von ihrer schönsten Seite. In Wäldern entstehen bei direktem Sonnenlicht zu harte Kontraste, sie offenbaren erst bei Nebel ihre wahre Schönheit“, so Ferdinand Rieder. Seit 1985 dokumentiert Rieder in Bildern, was ihm bei seiner täglichen Arbeit begegnet. An die zehntausen Fotos entstehen pro Jahr, die besten präsentiert Rieder in Diavorträgen. Auch ein Kalender erscheint, in dem heuer Bilder aus der Ausstellung im Haus der Natur zu finden sind. Die 35 Bilder der Ausstellung wurden mit einer Nikon D 800 aufgenommen und sind alle nach 2010 entstanden. In seinen künstlerischen Fotoarbeiten verzichtet Rieder - bis auf seltene Korrekturen an der Bildschärfe - auf jegliche Nachbearbeitung.