Mit der Video-Eisenbahn durch den Kunst-Saustall
MdM RUPERTINUM / YOUNGER THAN YESTERDAY
15/02/13 Hoffentlich wird der Putztrupp im Rupertinum im Vorhinein gut eingeschult. Es könnte nämlich sonst leicht passieren, was Joseph Beuys dereinst wiederfuhr: dass eine übereifrige Putzfrau seiner „Fettecke“ zuleibe gerückt ist… – Im Rupertinum zum 30-Jahre-Jubiläum: die anregende Installations-Schau „Younger than Yesterday“.
Von Reinhard Kriechbaum
Bloß nicht aufräumen, vor allem im ersten Stockwerk nicht! Dort hat nämlich das Künstlerkollektiv „Büro Josef Böhm“ (Franz Bergmüller, Hans Pollhammer und Ingo Huyer) einen ordentlichen Saustall angerichtet. Ein Bild von Goya hängt neben einem Kalender (Brigitte Bardot, als sie sich noch nicht mit dem Tierschutz befasste, sondern auf andere Qualitäten baute). Ein Flipper-Automat steht da. Als das Rupertinum 1983 eröffnete, hat es die blinkenden und klingelnden Dinger noch in freier Wildbahn gegeben.
Und dann erst im großen Raum: Da sind wüste Gerüste gezimmert, aus Paletten und Gemüsesteigen, und rund um den Raum fährt eine Modelleisenbahn. Genauer gesagt: das elektromechanische Innenleben einer Modelleisenbahn. Eine drauf montierte Mini-Kamera filmt die Eisenbahnreise durch die große Kunst, auf Leinwand kann man das anschauen, in Schwarzweiß. Vor dem Modell des Gelitin-Männchens, das in Echtgröße einst so furchtbar große Aufregung verursacht hat, ruckelt der Zug wie unwillig hin und her. Aber dann geht die Reise doch unter dem Piss-Männchen durch. Es geht an manchem Kunstwerk der Grafik vorbei, an Skulpturen und Installationen: Fronius, Gauguin, Kokoschka, Moldovan und zwei Dutzend weitere: Eigentlich eine tolle Kunst-Rundtour.
Vor dreißig Jahren also ist das Rupertinum, das Stammhaus des jetzigen Museums der Moderne, eröffnet worden. Als Institution gab’s die „Moderne Galerie und Graphische Sammlung Rupertinum“ zwar schon seit 1977. Damals hat Welz seine Kunstsammlung als Stiftung eingebracht in das zu gründende Museum. Aber seit 5. Februar 1983 ist es ein leibhaftiges, also echtes Ausstellungsgebäude. Nun ist das Rupertinum seit bald zehn Jahren Teil des „Museum der Moderne“.
Zum Jubiläum schaut man nicht zurück, sondern auf das, was man hat – vor allem auf die Graphiksammlung. Und man hat Künstler eingeladen, darauf zu reagieren. Das „Büro Joseph Böhm“ hat also eine Kramuri-Eisenbahnlandschaft gemacht, durch die sich der Besucher erst durchtasten muss mit seinen Augen. Kunst und Krempel als Symbiose, mit manchen ironischen Anspielungen und Querbezügen.
Viel ernsthafter geht es ein Stockwerk höher Elisabeth Schmirl an. Sie sucht im Internet nach Menschenbildern, beäugt neugierig, wie sich ihre Geschlechtsgenossinnen verkleiden und maskieren. Daraus macht sie ihre Bildwerke. Da hinein kommen in dieser Präsentation eben auch Motive aus Kunstwerken aus dem Rupertinum/Museum der Moderne. Dracula in einer Zeichnung von David Hockney bekommt es plötzlich mit einer der Figuren aus dem Bildfundus von Elisabeth Schmirl zu tun, einer Frau mit Raubtiermaske. Symbolistische Figuren sind den Bildwelten von Max Klingler entsprungen und Goyas krasse Bildsprache wird auch da und dort in den zu großen Tableaus an die Wand gespindelten Din-A4-Blättern Schmirls zitiert.
Und eine weitere „Wunderkammer“ findet sich im dritten Stock. Barbara Musil hat auch aus dem Vollen geschöpft. Angeblich sind da über 150 Graphiken und Zeichnungen beisammen. Die Künstlerin hat sich im Museum aber auch nach Relikten umgesehen und Podeste oder Glasvitrinen zu Skulpturen zusammengerückt. Für alle beteiligten Künstlerinnen und Künstler gilt, dass sie schon einen gewissen Respekt haben vor den großen Namen, die hier beisammen sind. Ihre eigenen Werke drängen sich nicht in den Vordergrund.
Es könnte sein, dass bekennende Pedanten nicht die ersten Adressaten für diese Schau sind – wer sich aber einlässt auf die Zufallsfunde, auf die listigen Querverweise, auf die Sinnlichkeit der Präsentation: Der wird hier nicht so schnell wieder weg wollen. Man kann Stunden verbringen im Rupertinum und sollte sich einfach lustvoll einlassen auf die Fährten, die gelegt wurden.
In einem Raum stellt sich auch die Museumspädagogik vor. In Ines Höllwarth hatte das Rupertinum einst die erste fest angestellte Kunstvermittlerin in Österreich. Unterdessen sind drei hauptamtliche und zwölf freiberufliche Museumspädagogen tätig. An solchen Dingen erkennt man, wie sich Wertigkeiten in der praktischen Museumsarbeit verschoben haben in drei Jahrzehnten.
Plakate sonder Zahl aus drei Jahrzehnten hängen im überdachten ehemaligen Innenhof des Rupertinums. An viele erinnert man sich eh noch.