Mozart schaut sich eh oft recht ähnlich
AUSSTELLUNG / MOZART-BILDER
24/01/13 Ein pockennarbiges, aufgedunsenes Gesicht, eine zu große Nase. Zeitgenossen beschreiben Mozart nicht wirklich vorteilhaft. Hätte man damals schon Fotos machen können, hätten sie sich kaum geeignet, um den Verkauf von Mozartkugeln zu fördern. - Eine durchaus spektakuläre Ausstellung im Mozart-Wohnhaus: Der Salzburger Meister im Porträt.
Von Reinhard Kriechbaum
Der Graphiker, der ein Plakat für ein Konzert „Mozart privat“ der Berliner Philharmoniker entworfen hat, hat dem Genius loci ein Zahnbürstl in den Mund gesteckt. Ein Jazz-Veranstalter hat ihn dunkelhäutig gemacht. Und ein Luftfahrtunternehmen hat in den USA für Österreich-Flüge geworben („God, Austria is cheap today“), indem es Mozart eine kultige Brille aufsetzte. Das vorerst letzte Facelifting hat die Firma Mirabell vor ein paar Jahren für ihr Mozartkugel-Logo angeordnet.
Dem Herrn, den das Bundeskriminalamt Wiesbaden im Mozartjahr 1991 als kriminalistisches Phantombild konstruiert hat, würde man keinen Gebrauchtwagen abkaufen. Aber das Gros der achtzig Porträts, die in der Schau „Mozart-Bilder – Bilder Mozarts“ zu sehen sind, zeigt einen durch und durch sympathischen Herren. Einen, dem man die Komposition der Jupitersymphonie zutraut, nicht aber die Autorenschaft der Bäsle-Briefe. Schließlich galt es, einen Musensohn bildlich zu vergöttern. Da war jedes Mittel künstlerischer Nach-Behübschung recht.
Schon die Witwe Constanze hat am Mozart-Bild nachbessern lassen: Die Familienmitglieder hielten zwar die beiden Halbreliefs von Leonhard Posch (1750-1831) für ziemlich realistisch. Constanze war fürs Ehegatten-Porträt in ihrer Mozart-Biographie (1828) aber ein Stich nach dem berühmten Lange-Porträt lieber. Die Mozart-Schönzeichnung hat rasch eingesetzt. Man verlässt die Schau in Mozarts Wohnhaus mit der Gewissheit, zwar viele Porträts, aber kein einziges wirkliches Abbild gesehen zu haben. Wahrscheinlich haben ja die Maler, Zeicher, Scherenschneider und Modelleure schon zu Mozarts Lebzeiten nach Kräften schöngefärbt.
Nie bisher waren mehr Mozart-Porträts an einem Fleck versammelt. Von 14 zu Mozarts Lebzeiten entstandenen kann man zwölf zeigen. Neun davon gehören der Stiftung Mozarteum. Man ist in Salzburg wirklich fein raus, was Mozart-Bildnisse anlangt.
Von Funden und Falsifikationen wurde an dieser Stelle bereits im Vorfeld berichtet. Dass das berühmte „unvollendete“ Lange-Porträt eigentlich die Großvariante eines kleineren, „vollendeten“ Bildes hätte werden sollen, hat eine Röntgenuntersuchung bewiesen. Kunst-Feministinnen sollten sich gut merken, dass zwei der berühmtesten Mozart-Bildnisse von Frauen geschaffen wurden. Von der Silberstiftzeichnung der Doris Stock spricht die Musikologin Gabriele Ramsauer ehrfürchtig als „unser Allerheiligstes“. Es wird in der Schau entsprechend auratisch, in einem Gold-hinterlegten Guckkasten präsentiert.
Noch geläufiger ist das Porträt der Barbara Krafft. Doch herrje, es ist erst 1818 entstanden! Da hat Mozart schon gut ein Vierteljahrhundert lang nichts mehr weh getan. Barbara Krafft hat den Wolfgang Amadé aus dem Familienbild der Mozarts hergenommen. Die beiden Gemälde hängen jetzt unmittelbar nebeneinander. Man könnte ein Spiel „Kreuzen Sie die Fehler an“ veranstalten. Die zweite Haarlocke zum Beispiel hat Barbara Krafft einfach dazu erfunden.
Im 19. Jahrhundert hat man beflissen am Mozart-Bild weitergearbeitet. Und prompt hat er dem Ideal immer ähnlicher geschaut, das man sich von ihm machte. Lassen wir also den kleinen, g’stockerten, schiachen Typen, der er war, getrost draußen vor der Tür stehen. So wie auf einem karikierenden Blatt, das man für den Katalog – ein mit viel Liebe und wissenschaftlicher Akribie gemachtes Buch aus dem Pustet-Verlag – als Cover gewählt hat. Mozart war gerade ein Meter fünfzig groß. Und doch passt er nicht durch die Tür in „Das Mozart-Zimmer auf dem Kahlenberge“. Das Blatt ist vermutlich bald nach dem 100. Geburtstag des Meisters entstanden. Solche Jubeljahre sind offenbar schon damals Leuten auf die Nerven gegangen.