Die Juristenseele ist ein weites Land
HINTERGRUND / MARCUS-SITTICUS-AUSSTELLUNG
10/05/12 Es wird keine Raubersg’schicht werden, im Salzburger Dommuseum, da ist das Land Salzburg davor: Tschechien darf fest damit rechnen, die schönen Familienbilder aus dem Geschlechte derer von Hohenems im Spätherbst wieder zurück zu bekommen.Von Reinhard Kriechbaum
Ja, ist das nicht eine Selbstverständlichkeit, dass Kunst, die international für Ausstellungen verliehen wird, sorgsamst verwahrt und umgehend retourniert wird? Freilich – solange es nach den Museumsleuten geht. Im Fall Tschechien-Österreich gibt es da aber eine hübsche Facette, die den bilateralen Kunst-Transfer seit einiger Zeit erheblich trübt.
Ein Liechtensteiner Pharma-Konzern fühlt sich wettbewerbsmäßig in Tschechien ausgetrickst. Tatsächlich wurde dem Unternehmen von einem österreichischen Gericht Schadenersatz zugesprochen. Es geht um viel, um 115 Millionen Euro nämlich, die der tschechische Staat abliefern sollte. Das tut er natürlich nicht freiwillig. Also kam die (übrigens in Salzburg ansässige) Rechtsanwaltskanzlei im Vorjahr auf die Idee, sich an Kunst aus tschechischem Staatsbesitz schadlos zu halten. Als die Prager Nationalgalerie für eine Ausstellung im Wiener Belvedere drei Bilder und eine kleine Statue zur Verfügung stellte, hat man beherzt zugegriffen und den Kuckuck draufgeklebt. Ein Tropfen auf den heißen Stein, sind diese Dinge doch zusammen bloß rund eine Million Euro wert. Bleibt für den Pharmakonzern immer noch ein Fehlbetrag von 114 Millionen Euro.
Tschechische Museumsleute sind seither natürlich alarmiert, Österreich kommt als Zielland für Kunst-Leihgaben kaum mehr infrage. Für das Dommuseum stand deshalb viel auf dem Spiel. Eine Ausstellung über den Erzbischof Marcus Sitticus ohne jene Ölbilder, die die illustre, grandios vernetzte Familie zu zeigen? Unvorstellbar.
So stand also die Schau zum 400-Jahre-Jubiläum des Dienstantritts von Marcus Sitticus als Salzburger Landesfürst und Erzbischof im Salzburger Dommuseum im Herbst vorigen Jahres an der Kippe, beinah hätte sie nicht stattfinden konnen. Doch da ist das Land Salzburg hilfreich eingesprungen. Man garantiert Tschechien nun die Immunität, also die glückliche Heimkehr der Bilder.
Für den bilateralen Kulturaustausch ist das wichtig und richtig. Schließlich können Museen hüben wie drüben nichts dafür, wenn Pharma-Lobbyisten irgendwo den Wettbewerb verzerren. Für diese gilt natürlich die Unschuldsvermutung – aber noch viel mehr für die kulturellen Schätze eines Landes. An denen sollte sich wirklich niemand vergreifen dürfen.
Als juridisch Ungebildeter fragt man sich aber schon: Wenn jemandem Recht zugesprochen wurde, er also von jemandem – in dem Fall vom tschechischen Staat – rechtens Geld zu kriegen hat: Da kann also das Land Salzburg tatsächlich schützend die Hand über den Schuldner halten? Die Juristenseele ist offenbar ein weites Land.