In die Seele geschaut - gründlich
MUSEUM DER MODERNE MÖNCHSBERG / EMIL NOLDE
02/12/11 „Es sollen diese Bilder keine gefällige, schöne Unterhaltung sein, nein, ich möchte so gern, dass sie mehr sind, dass sie heben und bewegen und dem Beschauer einen Vollklang vom Leben und menschlichen Sein geben.“ Das MdM zeigt in der Ausstellung „Emil Nolde. Mensch Natur Mythos“ Aquarelle und Grafik aus dem Berliner Kupferstichkabinett.
Von Heidemarie Klabacher
Fröhliche „Hafenrundfahrt“? Von wegen. Emil Noldes Bilder vom Hamburger Hafen zu betrachten, braucht Nerven. Die turmhohen Ozenriesen sind eher bedrohlich als pittoresk. Die Kais sind menschenleer. Die Dampfer und Schlepper sind wohl zu groß für eine Fahrt über den Acheron oder den Styx - dennoch scheinen sie eher ein Totenreich, denn irgendein Land der Lebenden anzulaufen. Sogar der Strichätzung „Segelboot“ aus 1922, mit einem Paar darauf, eignet nichts heiter genrehaftes.
Umso überwältigender das fast leere Blatt „Heller Tag“, eine Lithographie aus 1907: Hafenkommandantur und Segelschiff spiegeln sich am rechten Bildrand auf leichten Wellen. Sonst nichts. Nur der Horizont öffnet sich…
Harmonie und sanfte Bewegung - entlang der Bugholzlinie eines Thonet-Möbels - vermittelt die Strich- und Tonätzung „Im Schaukelstuhl“ aus 1906. Dass er alsbald vom Boden abhebt - vielleicht sogar die Pferde im Hintergrund ein paar Meter in die Lüfte mitnimmt - das erwartet man sich von dem „Tierfreund“ aus 1918. Ländliches Idyll herrscht rund um das „Landhaus“, einer Lithographie aus 1909. Das war’s aber auch schon mit Ruhe oder Seelenfrieden oder Harmonie.
Den meisten Arbeiten Emil Noldes eignen Zurückhaltung, Düsternis, Distanz, eine oft nur untergründig spürbare Dramatik. Seine Kirchen etwa wirken gar nicht wie Horte der Zuflucht. „Düstere Gedanken des Malers angesichts einer leeren Versprechung“ könnten diese Blätter auch heißen. Auch die „Mühlen“ aus 1922 evozieren eher Bilder von tretmühlenartiger Ausweglosigkeit, denn von arbeitsfreudiger Müllers Lust.
In Kooperation mit dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin präsentiert das MdM Mönchsberg einen Überblick über das selten gezeigte Oeuvre der Arbeiten auf Papier. Emil Nolde (1867-1956) ist ein Hauptvertreter des Expressionismus. Er zählt zu den namhaftesten deutschen Künstlern des 20. Jahrhunderts.
Die drei Bereiche der Ausstellung „Mensch – Natur – Mythos“ spiegeln eine Schwerpunkt seines Schaffens. Es ist eine sensationelle Gesamtschau - die aus den ergiebigsten Quellen schöpft: 110 Werke aus dem Berliner Kupferstichkabinett - Aquarelle und eine Auswahl der bedeutendsten Radierungen, Lithografien und Holzschnitte - werden gezeigt. Das Berliner Kupferstichkabinett besitzt den ältesten und umfangreichsten öffentlichen Museumsbestand des Künstlers - nach der Nolde-Stiftung in Seebüll (die den Nachlass verwahrt) und dem Sprengel Museum Hannover, das ebenfalls über einen großen Bestand an Druckgrafik verfügt. Eine Auswahl von rund hundert Arbeiten ist in der Ausstellung zu sehen. Dazu kommen Gemälde und weitere Arbeiten auf Papier aus dem Lentos Kunstmuseum Linz, der Sammlung Würth und dem eigenen Bestand des MdM Salzburg sowie Skulpturen und Kopfschmuck der Südsee-Insulaner aus den Völkerkundemuseen in Wien und München. Von den insgesamt fünfzig Blättern „Aquarelle der Südseereise“ kamen 1919 insgesamt 26 Blätter als Schenkung des Reichskolonialamtes in die Berliner Nationalgalerie kamen. Sie gelten als Höhepunkt in Noldes Gesamtoeuvre.