Zwischen Kultur und Wahnsinn?
MONATSSCHLÖSSL / MASKEN, TRACHTEN, KULTOBJEKTE
03/05/24 Unwillkürlich geht einem durch den Kopf: Hätte vielleicht ein Amulett mit Zähnen vom Dachs oder Krampen irgendeines Vogels gegen Corona geholfen? Oder ein Rosenkranz aus Nattern-Wirbeln? Wer auf ein Pferde-Entwurmungsmittel gesetzt hat, der hätte vielleicht genau so an so etwas glauben können.
Von Reinhard Kriechbaum
Volkskundliche Sammlungsobjekte haben von Natur aus sowohl mit der Zeit ihrer Entstehung als auch mit unserer Gegenwart zu tun. Gestriges sollte uns auch heute zu denken geben. Vor hundert Jahren ist das Volkskundemuseum im Monatsschlössl Hellbrunn eröffnet worden. Aus dem Anlass zeigt man ab morgen Samstag (4.5.) bis Allerheiligen die Schau Masken, Trachten, Kultobjekte – 100 Jahre volkskundlich sammeln.
„Es sind nur Objekte zu sehen, die in der ersten Ausstellung 1924 gezeigt wurden“, sagt Anna Engl, Leiterin des Volkskundemuseums. Doch es soll, obwohl alle Schaustücke quasi „historisch“ sind, danach gefragt werden, ob sie heute noch Bedeutung haben. Oder ob diese Relevanz eben verloren gegangen ist. Das ist bei der gegebenen Themenvielfalt – vom Lungauer Samson über Perchten, Holzspielzeug bis zur Trachtenmode – ein ziemlich hoher Anspruch auf einer Ausstellungsfläche nicht viel größer als eine geräumige Dreizimmerwohnung.
Die eingangs erwähnten Amulette entdeckt man, wenn man im kleineren Raum eine Schublade herauszieht. Viel auffälliger sind ein Lungauer Samson mit ebenfalls ansehnlich voluminösen „Zwergen“-Begleitern. Und die Perchtenmasken und -figurinen sind logischerweise Eye-Catcher. Wie ist das mit den Perchten und dem Heute? Es werden der Perchten- und Krampusgruppen im Land ja auch gegenwärtig mehr und mehr. Freilich: Jenes Objekt, das im Museumskatalog als „Mohrenmaske“ geführt wird, benennt man in der Ausstellung sicherheitshalber nicht mehr so. Da steht sinngemäß dabei, dass man den Originalnamen des woken Zeitgeists wegen unterschlägt. Vielleicht kann man political correctness ja auch übertreiben, schießt dem Betrachter durch den Kopf, womit der Gegenwartsbezug jedenfalls geweckt ist. Hoffentlich auch bei der Betrachterin, die nicht nur vor den Pongauer Tafelperchten erfahren muss, dass Ihresgleichen aus derlei Brauchtum im Regelfall ausgeschlossen bleibt.
Das ist Männersache, eh klar. Da hakt ein Projekt ein, das der bildende Künstler Bernhard Gwiggner, der an der Universität Mozarteum die Klasse für Bildhauerei leitet, mit seinen Studentinnen und Studenten in dem Projekt tradition2go: zwischen kultur und wahnsinn umgesetzt hat: Die jungen Leute sollten sich mit dem Thema Perchten auseinandersetzen, waren aber ganz frei in den künstlerischen Lösungen. Entsprechend vielfältig sind die Ergebnisse, die man entlang der Wege hinauf zum Monatsschlössl betrachten. Dazu gibt es auch ein kleines Katalogheft.
„Zwischen Kultur und Wahnsinn“ wäre vielleicht ein hübsches Motto gewesen, wenn man die Jubiläumsschau ein wenig mutiger und mit weniger Understatement (sprich: mit Gottvertrauen auf die Assoziationsfähigkeit und Lese-Willigkeit der Gäste) angelegt hätte. Gerade bei heiklen Aspekten setzt man in der Schau nämlich aufs sprichwörtlich Kleingedruckte. Da erfährt man dann schon, dass die Trachten-Figurinen sehr damit zu tun hatten, in der Zwischenkriegszeit die Heimat als solche auch optisch zu definieren und sich abzugrenzen von den „Anderen“. Wohin das geführt hat: Tourismus und Kleidergeschäfte machten damit seit je her gute Geschäfte. Politisch wurde die Sache fatal. „Salzburg war das einzige Bundesland, in dem 1938 ein Trachtenverbot für Juden erlassen wurde“, erklärt Anna Engl.
Gerade diese Figurinengruppe, aus der einen der Geist des erwachenden Nationalsozialismus förmlich anspringt, ist erhellend. Ein lokaler Treppenwitz beinahe, dass die ältesten beiden Figuren bei Anton Aicher, dem Gründer des Marionettentheaters in Auftrag gegeben worden waren. Der Bildhauer konnte also auch im Maßstab eins zu eins arbeiten und hat die Gesichter so dargestellt, wie sie damals national-denkend idealisiert wurden. Mensch, Landschaft, Tracht, politisches Denken: Wie nahe es da von der „Heimatschutzbewegung“ zur heute von der politischen Rechten reklamierten „Festung Österreich“ ist, hätte man viel markiger herausarbeiten können.
Wer genau genug hinschaut und nachliest, findet manch Erhellendes. Der Maler Franz Kulstrunk wurde 1911, also Jahre, bevor das Volkskundemuseum im Monatsschlössl eröffnet wurde, Fachreferent der Trachtensammlung des Museums. Was er aus gesammelten Kleidungs-Versatzstücken zusammensetzte, hatte Vorbildwirkung für die Entwicklung der Trachten im Land. Die Nazis haben dann mit ihren Trachtenmappen noch eins draufgesetzt.
Es ist ab sofort und den Sommer über ein reiches Veranstaltungsprogramm angekündigt, auch da gibt es ein eigenes Heftchen. Genug Ansatzpunkte zu inhaltlichen Vertiefung und Konkretisierung bietet die Schau ja.
Masken, Trachten, Kultobjekte – 100 Jahre volkskundlich sammeln. Ausstellung im Volkskundemuseum im Monatsschlössl Hellbrunn, bis 1. November – www.salzburgmuseum.at
Bilder: dpk-krie