Google Maps in Öl
DOMQUARTIER / HEILIGE ORTE
07/03/24 Zeit hat man sich nehmen müssen, wenn man im 19. Jahrhundert gereist ist. Mit dem Dampfschiff von Triest nach Konstamtinopel in „nur“ vierzehn Tagen. Da kommen heutzitage Touristen aus dem Fernen Osten um die ganze Welt. Hubert Sattler hatte Zeit zum Schauen und Zeichnen.
Von Reinhard Kriechbaum
Daheim hat er dann Ölbilder – Dioramen – gemacht, mit denen er als Maler-Schausteller wieder auf Reisen ging. Sogar in New York und Washington hat Hubert Sattler (1817-1904) sein staunendes Publikum durch trichterartige Guckkästen auf die Wunder dieser Welt schauen lassen. Das Salzburg Museum hat über tausend Skizzen und 137 Dioramen. 19 davon zeigt man jetzt im DomQuartier, in den Nordoratorien. Eine Reise an Heilige Orte, vom Kölner Dom bis Mekka, von einem Maya-Tempel in Mexico bis Baalbek im Libanon. Jerusalem sowieso. In einer Gasse von Malta wurde Sattler Augenzeuge einer Prozession, die ihrerseits von mit Tüchern verschatteten Balkonen aus von Neugierigen bestaunt wurde.
Auf einem Felsvorsprung vor dem griechisch-orthodoxen Kloster Mar Sabra im Kidrontal nördlich von Bethlehem sehen wir einen Touristen mit Skizzenblock. So müssen wir uns wohl Hubert Sattler vor Ort vorstellen. Auf Yukatán hat er übrigens geschwindelt: Die malerisch ihre Wurzeln über Tempelstufen und Mauern entfaltenden Bäume gibt es dort, an der Karibik-Küste nicht. Aber Kakteen machen weniger her.
Es war eine spannende und für einen Maler auch durchaus herausfordernde Zeit. Hubert Sattler war ja nicht allein unterwegs, um den Menschen, für die weite Reisen weder erschwinglich noch praktisch durchführbar waren, die weite Welt nahe zu bringen. Die Daguerrotypie war schon erfunden, und so sind auch Fotografen fleißig gereist. Der Konkurrenzkampf zwischen Malerei und Fotografie in Sachen Realismus war noch nicht entschieden.
Vorteil der Malerei: Hubert Sattler konnte die imposanten Veduten mit allerlei Menschen aufpeppen. Da werden am Rheinufer vor dem Kölner Dom Fässer verladen, Bürger sind daneben auf Vergnügungsfahrt im Ruderboot. Vor den Baalbek-Ruinen tritt ein im Kreis gehendes Ochsenpaar das Getreide.
Auf der Riva degli Schiavoniin Venedig, wo sich heute Touristen dicht an dicht drängen, sind schmucke Obstverkäuferinnen zugange. Es lässt sich allerhand entdecken, bis zur Wäscheaufhängerin in einem der Häuser rund um den heiligen Bezirk in Mekka.
Schon als junger Mensch war Hubert Sattler mit dem Vater Johann Michael und der Familie als Schausteller in Sachen Welt-Herzeigen in Europa unterwegs. Zehn Jahre lang auf einem Hausboot! Frühe Salzburg-Werbung mit des Vaters berühmtem Panorama. Schon damals hat Hubert Sattler Skizzen angefertigt, so wie dann auf seinen drei großen Reisen: 1842 die Donau abwärts und weiter nach Konstantinopel, durch die Türkei nach Palästina. 1844/45 über Griechenland nach Ägypten. 1850 bis 1853 schließlich in die Neue Welt, in die USA und nach Mexico, auf die Halbinsel Yucatán. War Hubert Sattler nun ein Künstler oder ein Bildjournalist? Wohl eher letzteres. Er hat aus dem Orient sogar Reiseberichte nach Hause geschickt, die in der „Wiener Theaterzeitung“ erschienen sind. Dreißig Jahre lang, von 1840 bis 1870, war er unterwegs und zeigte gegen Geld seine Bilder.
„Es war üblich, auf öffentlichen Plätzen und Jahrmärkten gegen kleines Entgelt Stadtansichten und Landschaften zu betrachten“, erklärt die Ausstellungskuratorin Katja Mittendorfer-Oppolzer. „Die beliebige, keinerlei geographischen Ordnungskriterien gehorchende Abfolge der Bilder bedingte ein aufregend dynamisches Moment, das bei den Zuschauern das Gefühl virtueller Mobilität erzeugte.“ GoogleMaps in Öl sozusagen.
In der Schau im DomQuartier werden die repräsentativen Ölbilder ergänzt um Zeichnungen. Letztere aus konservatorischen Gründen als Faksimile. Und gleich als Blickfang beim Eingang empfängt einen die Vedute vom Domplatz. Die hat aber nicht Hubert, sondern sein Vater Johann Michael gemalt.
Heilige Orte. Ansichten von Hubert Sattler. Bis 6. Jänner 2015 im DomQuartier – www.domquartier.at
Bilder: DomQuartier; dpk-krie