Doch kein Geizkragen
DOMQUARTIER / COLLOREDO (1)
25/01/22 Wenn heutzutage vom letzten Salzburger Landesfürsten, Hieronymus Graf Colloredo, die Rede ist, dann könnte man den Eindruck gewinnen, dass es die Zeitgenossen mit einem knausrigen Asketen zu tun gehabt hätten. Da war doch was mit Mozart und einem Fußtritt (ausgeführt von Grafen Arco). Und mit dem legendären Krippenverbot.
Von Reinhard Kriechbaum
Nicht alles, aber vieles ist unwahr. Wenn man zum Beispiel die Salzburger Residenz durchstreift: „Das DomQuartier ist zweifellos der ideale Ort für eine Ausstellung über Colloredo, der auch in der Gestaltung der Prunkräume der Residenz unübersehbare Spuren hinterlassen hat“, erklärt der Leiter des Dommuseums, Reinhard Gratz. Der Weiße Saal, ein Meisterwerk der klassizistischen Stuckhandwerkskunst, stammt ebenso aus der Colloredo-Ära wie die stuckierten Wände des Rittersaals, die klassizistischen Öfen und die kostbare französische Sitzgarnitur, die er in Paris bei Henri Jacob geordert hatte und die zu den wenigen originalen Möbeln gehört, die aus der fürsterzbischöflichen Zeit geblieben sind.
Gespart hat er, ja. Weil er hat sparen müssen. Schließlich hat er, als er 1772 auf den Salzburger Erzbischofsstuhl kam, nicht gerade ein blühendes Land übernommen: Colloredo ortete dringenden Reformbedarf, hohe Staatsschulden, rückständiges Schulwesen, unzureichende Armenfürsorge und medizinische Versorgung, zu viele Feiertage, zu viele Äußerlichkeiten und Misstände in der Religionsausübung.
Eine respektable To-do-Liste also für einen Menschen, der vom Geist der Aufklärung durchdrungen war. Betrachten wir nicht das repräsentative Porträt des Fürsterzbischofs im Prunkornat von Franz Xaver König, sondern lieber jenes von einem gewissen Gandolph Ernst Stainhauser von Treuberg. Dieser hat Colloredo um 1793 porträtiert. Man könnte ihn da für einen Bruder des aufgeklärten Habsburger-Herrschers Joseph II. halten, der er in geistigem Sinn auch durchaus war. Das Brustbild spiegelt genau die Rückkehr zu jener Einfachheit, die der Erzbischof in seinem Land unter den Aspekten von Vernunft und Nützlichkeit umgesetzt wissen wollte.
Für die DomQuartier-Schau im Nordoratorium des Domes und in drei Räumen der Residenzgalerie galt es also, manches historisch falsche Vorurteil zu korrigieren. Ein Beispiel von vielen nur: Ähnlich viele Gemälde, wie Colloredo sammelte, hatte zuletzt Fürst Anton Harrach im Hochbarock erworben. Wäre die weltliche Macht 1803 mit Colloredos Abdankung als Landesfürst (nicht als Erzbischof) nicht flöten gegangen, stünde die Residenzgalerie heute ganz anders da. Sie könnte Bilder von Dürer bis Rubens herzeigen. Jedenfalls war es Hieronymus Colloredo, der in seiner neuen Galerie im dritten Obergeschoß des Osttrakts seiner Residenz rund tausend Gemälde der Sammlungen seiner Vorgänger ab dem 16. Jahrhundert vereinte und um zeitgenössischen Bilder – immerhin 279 – erweiterte.
Das damals eingerichtete „Enkaustische Kabinett“ darf man als eine Art Salzburger Bernsteinzimmer werten. Auf dem Weg nach Wien verliert sich die Spur der meisten dieser 56 in einer speziellen Maltechnik von Andreas Nesselthaler zwischen 1789 und 1794 angefertigten Gemälde. Enkaustik meint, dass Bienenwachs gebundene Farbpigmente heiß auf den Maluntergrund aufgetragen werden. Immerhin haben vier Gemälde aus diesem Kabinett, das nur kurz Bestand hatte und das wir nur aus zeitgenössischen Beschreibungen kennen, überlebt. Zwei davon sind jetzt sogar in den Beständen des Salzburg Museums.
Ein Objekt mit Leuchtkraft ist eine Garnitur von Mess-Gerätschaften, die ein Kirchenfürst wie Colloredo auch auf Reisen immer dabei haben musste, die also in einem Lederkoffer verstaut sind. Das auffallendste Stück in diesem Konvolut, das zum Domschatz gehört, also in Obhut des Dommuseums steht, ist die Pallium-Tasse. Das Pallium ist das Würdezeichen eines Erzbischofs. Wenn dieser unter den Augen der Gläubigen feierlich angekleidet wurde, hat man ihm dieses einer Stola ähnliche Kleidungsstück aus Schafwolle mit eingestickten Kreuzen auf einer solchen Tasse überreicht. Der Salzburger Fürsterzbischof führte, wenn er auf Reisen ging, gleich drei Ölgefäße mit sich. Sie enthielten Chrisam (für Taufe, Firmung und Priesterweihe), Katechumenenöl (für Taufwerber) und Krankenöl (für die Krankensalbung).
Übrigens hat sich der Goldschmied vertan, als er auf diese Reisegarnitur das Colloredo-Wappen aufprägte. Ein solches Bischofswappen enthält ja, je nach Rang, seitlich Quasten unter dem Bischofshut. Colloredo hätten zehn solcher Fiocchi gebührt, hier sind aber nur sechs zu sehen. Das hat aber nichts mit Colloredos angeblicher Sparsamkeit zu tun. (Wird fortgesetzt)