Autobahn und Kugelmühle
RESIDENZGALERIE / STADT·LAND·BERG
25/08/22 Löst der Berg die Alarm-Anlage aus? Er hängt wie eine Wolke im Raum und bewegt sich beim leichtesten Luftzug. Der Untersberg in seiner delikatesten Form, geschaffen vom Salzburger Künstler Wolfgang Richter. Ein zeitgenössisches Highligth inmitten alter Ansichten von Salzburg und seiner Umgebung.
Von Heidemarie Klabacher
Es könnte auch eine Wolke sein, die da unpassender Weise im Museum herumhängt. Der Titel lässt Spielräume offen: Cloudmontian heißt die fragilge Installation von Wolfgang Richter, die von zartem Blei am Abheben gehindert wird. Raum 6 in der Ausstellung Stadt·Land·Berg. Salzburg und seine Umgebung ist überhaupt ein „Richter“-Raum. Hier hängt etwa der vierteilige Linolschnitt-Zyklus aus 2020 mit Ansichten des Untersbergs vom Staufen aus gesehen im Frühling, Sommer, Herbst, Winter. So delikate wie archetypische Jahreszeitenbilder.
Hier hängen auch zwei weitere, aufgrund der Spannung zwischenTechnik und Thema, besonders reizvolle Linolarbeiten Richters: Blick aus dem Flugzeug im Anflug über Liefering auf den Flughafen und Blick von der Autobahn A8 bei Aufham/Bad Reichenhall. Sie gehören in die Serie Unterberg 20 Ansichten. In beiden Fällen scheint der Berg die Landschaft zu begrenzen. Die Bodenmarkierungen auf der Autobahn wirken phosphoriszierend im Regendunkel.
Deutlich harmloser, zeittypisch idyllisch ist dagegen Friedrich Philipp Reinholds Salzburger Landschaft mit Untersberg und Watzmann aus 1820. Ein Bauernpärchen turtelt, einer dengelt geruhsam seine Sense, zwei Mädchen kochen im Vordergrund. Im Hintergrund die beiden Berge... Es gibt bessere Bilder in der Sammlung der Residenzgalerie, aber dramaturgisch passt es perfekt.
Berchtesgaden und dem Watzmann gilt überhaupt ein eigener Raum. Anton Hansch ist mit zwei Seestücken vertreten. Selten in der Gegend – das Kamel im Bild Jahrmarkt in Berchtesgaden von Johann Adam Klein. Kleinkrämerische Kühe im Vorder-, aber ein umso überwältigender ins Weite gedachter Berg im Hintergrund ist der Hohe Göll vom Roßfeld aus von Josef Michael Mayburger ist spannend. Ziemlich fest und plakativ auf der Erde hockt dagegen sein Watzmann.
Dieser Berg hat viele Künstler fasziniert. Übrigens auch Caspar David Friedrich, der den Berg zwar nie gesehen, wohl aber nach dem Aquarell eines Schülers gemalt hat. Leider gehört das Bild der Alten Nationalgalerie Berlin. Wäre toll als Leihgabe in dieser Schau, würde aber vielen anderen Bildern die Schau stehlen. Das Salzkammergut, Zell am See oder Bad Gastein sind mit recht konventionellen Gemälden vertreten.
Erwähnt seien hier die vielen „eingestreuten“ historischen Postkarten aus der Sammlung Wolfgang Tauderer: Reizvolle Kontrapunkte zu den Bildern. Über deren teils künstlerische Mittelmäßigkeit zu mäkeln ist der falsche Zugang – immerhin ermöglicht beinah jede dieser Arbeiten (außer halt die reinen „Idyllen“) den Blick in eine meist unwiederbringlich verlorene landschaftliche oder örtliche Vergangenheit: Die Nikolauskirche in Badgastein – von Emil Ludwig Löhr noch gemalt allein auf steiler Wiese (mit den unvermeidlichen Heuarbeiten ausgestatt) – ist längst von Straßen und Häusern umgeben. Ähnliches gilt für die Ansichten aus dem Salzkammergut. In ihrer Qualität herausstechend sind Rudolf von Alts Apfelbäume in Goisern. Mit dessen Ansicht vom Rudolfskai in Salzburg vom Kapuzinerberg sind wir wieder in der City. Gezoomt wird quasi von oberhalb und außerhalb auf die Stadt bis hinein in Einzelmotive wie etwa der Ansicht vom Neutor von Konrad Supanchich.
Die Bilder sind großteils gute Bekannte, in diesem Kontext locken sie zur besonders genauen Betrachtung: Franz Xaver Mandls Blick auf Salzburg, des unbekannten E.L. Stadtansicht mit der rastenden Familie ungefähr bei der Humboldt-Terrasse, Andreas Nesselthalers Blick auf Salzburg von Osten oder natürlich das berühmte unvollendete Blatt von Friedrich Loos Der Rudolskai in Salzburg. Dieses Blatt darf im Salon der Museumspädagogik übrigens nach Lust und Laune weitergemalt werden. Auch mitten in der Stadt ist der Salzburger Künstler Wolfgang Richter vertreten, hier mit seiner geradezu glühenden Großen Salzburger Landschaft. Richters Standort für diesen Linolschnitt mit 33 Schichten entspricht ungefähr dem von Mandl, zeigt aber viel mehr Vorder- und Hintergrund. Fotografieren könne man höchstens die Hälfte dieser Ansicht, sagt Wolfgang Richter. Er ist in dieser Schau mit so vielen Werken vertreten, dass man beinah schon von einer Personale – wenn auch eingestreut halt in historische Arbeiten – sprechen kann.
FlussZEITreisen gehören zu den Themen Richters: Dem gesamten Lauf eines Flusses folgen und die Flusskilometer entlang regelmäßig Artefakte sammeln. In der Residenzgalerie präsentiert wird die GlanZEITreise vom Untersberg bis zur Mündung in die Salzach. An sechs Positionen – Glanschlucht, Kugelmühle Fürstenbrunn, Fürstenbrunner Moos, Lehener Wehr, Lieferinger Au und Salzachmündung – hat Richter Steine und Bodenmaterial gesammelt. Diese Material wurde von ihm, deutlich ordentlicher als von der Natur, in Bilderrahmen geschlichtet. Sechs Materialbilder mit Steinen und Sand aus der Glan ergeben zusammen ein überaus abstraktes „Bild“ des sich verändernden Flusses. Im Moor ist der Grund dunkler und die Steine sind heller, an der Salzachmündung hat sich ein eher einheitliches Grau eingestellt...
Auch die südtiroler Passer vom Timmelsjoch bis zur Etsch habe er begleitet oder, näher, den Rosittenbach. Die sich im Material spiegelnden geologischen Ereignisse und Phasen vermittelten ihm, so Richter, einen „Zeitbegriff, der uns klein erscheinen lässt“. Aus der selben Gegend stammt das Gemälde Bei den Kugelmühlen in Fürstenbrunn bei Salzburg von Rudolf Ribarz von 1869. Ein weiteres Beispiel für die vielen inneren Zusammenhänge innerhalb dieser sehr reizvollen Schau.
Stadt·Land·Berg. Salzburg und seine Umgebung - in der Residenzgalerie im DomQuartier bis Mai 2023 - Es gibt ein reiches museumspädagogisches Programm, ausgeborgt werden kann etwa ein Rucksack mit einem Fotobuch, das die Ansichten auf den Gemälden neuen Fotografien gegenüberstellt, historischen Landkarten oder einem StadtLandFluss-Spiel - www.domquartier.at
Bilder: RG (1); dpk-klaba