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Die Seele und die Politik

MUSEUM DER MODERNE / OSKAR KOKOSCHKA

09/11/18 Der Herr rechts, mit Zeichenblock und Kohlestift, ist Oskar Kokoschka. Ihm gegenüber sitzt Golda Meir, damals Ministerpräsidentin Israels. Auch andere Leute hat der hochbetagte ok damals in Israel porträtiert, etwa Teddy Kollek oder den Außenminister Moshe Dayan.

Von Reinhard Kriechbaum

Lange hat das Museum der Moderne einen seiner Sammlungsschwerpunkte, das fast komplett hier versammelte druckgraphische Werk von Oskar Kokoschka, nicht mehr ausgestellt. Nun wird Kokoschka „im Kontext seiner Zeit“ präsentiert. Das ist nicht so zu verstehen, als es dem Schaffen anderer Künstler gegenübergestellt wird, sondern es geht um des Künstlers Interaktion mit der Zeitgeschichte. Von der hat Kokoschka (1886-1980) ja beinah ein Jahrhundert ab- und mitbekommen. Und er hat darauf reagiert. Das vor allem will Barbara Herzog, kürzlich zur Kuratorin des MdM bestellt, zeigen.

Reagiert hat Kokoschka oft postwendend. Es sind Statements, die man vor den Arbeiten nicht mehr unbedingt wahrnimmt. „Die Frösche“ des Aristophanes – die hat Kokoschka nicht aus bloßer Antikenbegeisterung (die er auch hatte) gemalt. Es gab damals eine Aufführung in London, die von politischen Aktivisten (es ging in Griechenland politisch rund) gestört wurde. Kokoschka saß im Theater, ergriff augenblicklich Partei und machte sich ans Zeichnen. Das ist übrigens eine der weniges Radier-Serien, eigentlich war die Lithographie seine Technik.

Gut zehn Jahre zuvor, im Ungarn-Krisenjahr 1956, hat Kokoschka, hat ok auf dem Blatt „L'enfant de Bethleèm/Madonna im Straßenkampf“ Maria mit dem Jesuskind als Flüchhtende vor den sowjetischen Panzern dargestellt. Ein aufrüttelndes Blatt in Orban-Zeiten... In dem Litho-Zyklus „Die Troerinnen“ nimmt er entschieden Partei für jene Frauen und Kinder, die Opfer des Krieges wurden – Kokoschka hat den Zyklus im Nachhinein mit einem Angriff von Palestinensern auf eine israelische Schule in Verbindung gebracht. Die Zyklen zur griechischen Mythologie spiegeln also nicht nur Kokoschkas hohe Wertschätzung antiker Ästhetik. Er knüpfte daran immer auch die Frage nach der Ethik.

Die Schau ist voll von solchen Bezügen zwischen Schaffen und den jeweiligen politischen Zeitstimmungen und Tagesaktualitäten. „Das Prinzip“ ist ein Blatt, in dem Kokoschka, der sich nach der Trennung von Alma Mahler zum Kriegsdienst gemeldet hatte und zwei Mal verwundet worden war, gegen den Kriegswahnsinn wandte. Aus dem Ideal Fraternité ward Brudermord...

Kokoschka war so umstritten wie erfolgreich. Als er in der NS-Zeit zum „entarteten“ Künstler erklärt wurde, verschwanden rund vierhundert seiner Werke aus öffentlichen Sammlungen. Eine beachtliche Menge. „Die Kunst wurde als entartet gebranntmarkt und dann gleichwohl von den Machthabern in Devisen umgesetzt – auch das gehört zu den Zynismen des Dritten Reichs“, erklärte dazu MdM-Direktor Thorsten Sadowsky heute Freitag (9.11.) – am 80. Jahrestag der Reichskristallnacht.

Der Schau fehlt es aber auch nicht an liebenswürdig Anekdotischem. Erich Lessing hat den Gründer der „Schule des Sehens“ (der heutigen Internationalen Sommerakademie) oft fotografiert. Porträts noch und noch spiegeln das persönliche Umfeld des Künstlers. Ein Mann in exotischer Verkleidung zieht den Blick auf sich: 1923 porträtierte ok Wolfgang Gurlitt (einen aus der Kunsthändler- und Verleger-Sippe, die heute wieder im Gespräch ist) als „Zauberprinz“.

Auch eine nette Geschichte: Die deutsche Boulevard-Illustrierte „Quick“ gab das Geld, auf dass Kokoschka den deutschen Altbundeskanzler Konrad Adenauer porträtierte. Die Sache wurde dann medial entsprechend ausgeschlachtet.

Mag sein, dass die Porträtierten oft mehr Verständnis aufbrachten als Beobachter von außen. Eine Karikatur von Rudolf Herrmann aus der Zeit des expressionistischen Aufbruchs, als Unterschrift der Dialog: „Da hab' ich mich von dem berühmten Ok malen lassen. – Ich hätte sie nicht erkannt. – Er hat ja meine Seele gemalt! – Ah sooo!!!!“

Die Schau Oskar Kokoschka – Das druckgraphische Werk im Kontext seiner zeit“ ist bis 17. Februar 2019 im Museum der Moderne Mönchsberg zu sehen – www.museumdermoderne.at
Bilder: dpk-krie

 

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