Der Teufel schläft nicht
DOMMUSEUM / GLAUBE UND ABERGLAUBE
19/05/10 Die Sache wirkt ja nachgerade absurd: Ausgerechnet der fürsterzbischöfliche Hofapotheker hat seinem Sohn eine Unmenge medizinisch-religiöser Glücksbringer umgehängt. Allzu groß scheint sein Vertrauen in Medizin und Pharmazie seiner Zeit nicht gewesen zu sein.
Von Reinhard Kriechbaum
Auf dem Kinderporträt trägt der Knabe jedenfalls ein Halbdutzend religiöse Medaillen und Kreuze. Er war damit hoffentlich gut geschützt gegen Krankheiten, gegen den man damals noch wenig hat unternehmen können. Der Vater – haptberuflich Apotheker immerhin – wird gewusst haben, dass er mit seinen Mittelchen nicht wirklich viel ausrichten konnte. Auch der Schnitzer einer Wiege ist auf Nummer sicher gegangen und hat auf dem Kopfende das Christusmonogramm, auf dem anderen aber einen Drudenfuß eingeschnitten. Egal also, ob Christentum oder doch irgendwelche dämonischen Mächte: Hauptsache beschützt von und vor höheren Mächten.
Die diesjährige Sonderausstellung im Salzburger Dommuseum setzt fort, was man vor zwei Jahren mit Hunderten von Rosenkränzen begonnen hat. Das Dommuseum ist ja seit einigen Jahren im Besitz der Sammlung Edith-Haberland-Wagner. Diese Stiftung religiöser Volkskunst ist nicht zuletzt wegen ihrer Materialfülle beeindruckend. Fünfhundert religiöse Medaillen, siebenhundert Andachtsbildchen sowie einige hundert Amulette, Wallfahrtsandenken, Votive und Kreuze enthält die Sammlung. Solche Dinge haben sich vor allem im Umkreis von Wallfahrtsstätten gut verkauft.
Wo der Glaube an höhere Mächte sozusagen „entgleist“, der Glaube also zum Aberglauben mutiert - das ist im Detail gar nicht so leicht auszumachen.“Neidfeigen“, die gegen den bösen Blick schützen sollten; Fraisenketten, mit denen man Kinder vor Erkrankung schützen wollte; „Schluckbildchen“, mit denen man sich den zuständigen Heiligen oder Jesus selbst im Wortsinn „einverleibte“: Das mag nun von christlichen oder heidnisch Vorstellungen bestimmt, von tiefer Glaubensüberzeugung getragen oder recht kindisch von zaubrischen Vorstellungen gelenkt sein. Wer wollte heute darüber urteilen? Die Dinge sind ja mehrheitlich in einer Zeit entstanden und verwendet worden, als die Medizin mehr oder weniger in den Kinderschuhen steckte und die hygienischen Zustände unterm Hund waren. Auf einem Votivbild sehen wir eine Mutter im Wochenbett. Die Kreuze auf den Kleidchen der fünf Kinder verraten uns, dass es bereits der sechste Versuch war, ein Kleinkind über die Runden zu bringen. Bei solcher Kindersterblichkeit hatte die Jungfrau Maria auf der Wolke vermutlich ihrerseits alle betenden Hände voll zu tun ...
Das Schöne an der Schau ist ihre Anschaulichkeit. Die Sammlung an Amuletten und anderen Devotionalien zum Umhängen, Anstecken, zum Spenden (Votivgaben) oder zum Aufbewahren im Herrgottswinkel sind ergänzt um Gemälde der Zeit. In Angath, einer zu Salzburg gehörenden Tiroler Gemeinde, sind 1834 gleich 72 Leute einer Ruhr-Epidemie zum Opfer gefallen. Auf einem Bild sehen wir den Tod als Knochenmann zu Pferd, der mit Pfeil und Bogen reihenweise die Leute niederstreckt.
Über drei Räume in den nordseitigen Domoratorien erstreckt sich die materialreiche Schau. Im Rupert-Oratorium selbst sind die „amtskirchlichen“ Maßnahmen das Thema. Ein Salzburger Rituale ist auf dieser Seite aufgeschlagen, wo es um die „Herstellung“ von Weihwasser geht. Die rechten Gebete und ein paar Bröserl Salz sind dafür nach wie vor notwendig. Ein „Handbuch mit Segen- und Bannsprüchen“ von 1728 würde bei fortschrittlichen Theologen aber kaum mehr durchgehen. In einem Bild flüstern Teufelsfiguren einem Beichtenden offenbar die falschen Dinge ein – wenn der gute Mann dann zur Kommunion geht, triumphiert das Böse und der Engel wendet sich weinend ab. Religion kann herrlich bildhaft sein.