Als Kunstradler durch die USA
KUNSTVEREIN / HANS SCHABUS
23/02/16 Ausstellungen im Künstlerhaus: Von Künstlern ist Einfallsreichtum verlangt, wenn sie im Gespräch bleiben wollen. Hans Schabus fehlt es daran nicht, und auch nicht an Erklärungen. – Die Schau "The Long Road from Tall Trees to Tall Houses" im Künstlerhaus.
Von Werner Thuswaldner
Hans Schabus ist aus Watschig. Der Ort hat nichts mit John Orwell („Big Brother is watching you“) zu tun. Watschig ist ein kleiner Ort mit nicht viel mehr als einhundert Seelen. In derart kleinen Orten werden nicht die Menschen gezählt, sondern nur noch die Seelen. Und diese Seelen sind dort zum Großteil protestantisch. Die wichtigsten Nachbarorte heißen Postran, Tröpolach und Kameritsch. In dieser – nicht diskriminierend „windisch“ genannten – Gegend ist die Gegenreformation im 17. Jahrhundert nicht so recht erfolgreich gewesen. Die Menschen kehrten nicht reumütig zum katholischen Glauben zurück. Watschig liegt übrigens schattseitg nicht weit von der Staatsgrenze entfernt. Auf dem nahen Gartnerkofel blüht die seltene Blume Wulfenia.
Hans Schabus, Jahrgang 1970, blieb nicht im Dorf hängen, er brachte es bis nach Wien, wo er heutzutage an der Angewandten unterrichtet. Zuvor ist er ein Künstler geworden. Unter der großen Schar von Künstlern hat er sich zäh deutliche Auffälligkeit erarbeitet (Alleinstellungsmerkmal), als er 2005 auf der Biennale in Venedig den österreichischen Pavillon mit einer Holzkonstruktion überbaute. Im Jahr darauf wurde er zur Kunstaktion „Kontra.com“ nach Salzburg eingeladen. Sein Einfall bestand in einem vier Meter hohen Bretterverschlag, mit dem er den Eingang zum Mirabellgarten abriegelte. Damit brachte er sich in Gespräch. Davon kann allerdings ein Künstler nicht sein Leben lang zehren. Er muss sich immer wieder etwas möglichst Originelles einfallen lassen. Das macht Schabus, und deshalb merken sich die Insider seinen Namen. Den Druck, dem sich ein Künstler wie er ausgesetzt sieht, kann sich ein Laie kaum vorstellen.
In Sri Lanka etwa sollte er an einer Ausstellung teilnehmen. Weil er aber gerade kein Kunstwerk zur Hand hatte, deklarierte er kurzerhand sein Fahrrad, mit dem er im Land viel unterwegs gewesen war, zum Kunstobjekt. Es hat geklappt. Es wurde ihm abgenommen. Es braucht immer wieder welche, die es ihm abnehmen und sogar mitschreiben, wenn er seine Kunst wortreich erklärt.
Im Vorjahr radelte er von der West- zur Ostkünste durch die USA. Das haben zwar andere auch schon gemacht. Aber weil Schabus ein Künstler ist, war er nicht gewöhnlicher Radfahrer, sondern als Kunstradler unterwegs. Das ging so: Jeden Tag um punkt zwölf machte er ein Foto von der Straße, auf der er gerade fuhr. Ferner schrieb er täglich eine Ansichtskarte an seine eigene Adresse in Wien und fotografierte seine jeweilige Unterkunft, in der er nächtigte. 42 Tage war er auf dem Weg in langweiligen Landschaften. Aus der Dokumentation eines jeden Tags stellte er nachträglich ein gerahmtes Arrangement her, auf dem jeweils in der gleichen Anordnung die fotografische Ausbeute zu sehen ist, samt der Postkarte, die er sich selbst geschrieben hat. Im Hauptraum des Künstlerhauses sind die 42 „Bilder“ zu sehen. Ziemlich öde, wüsste man nicht, dass es Kunst ist. Es ist zu hoffen, dass sich auch in Salzburg ein paar gläubige Bewunderer dafür finden werden.
Schabus selbst muss die Ausbeute wohl ein wenig dürftig vorgekommen sein, weshalb er zusätzlich in die Mauer des Austellungsraums im Künstlerhaus ein Loch bohren ließ. Damit kommt etwas Geheimnisvolles ins Spiel. Denn in dieses Loch lässt sich ungemein viel hineindenken.
Die Teile seines Fahrrads hängen von der Decke. Das Vehikel ist vermutlich nicht mehr zu gebrauchen, aber zur Dekoration im Künstlerhaus taugt es allemal.
Im „Kabinett“ des Künstlerhauses liegen auf dem Boden Objekte herum, die aussehen, als hätten sich hier Schildkröten gehäutet. Stimmt aber nicht. Wir haben es mit einem Werk der aus Israel stammenden Künstlerin Ella Littwitz zu tun. Sie hat geborstene Fußbälle recycelt, in Kunst verwandelt. An die achteckigen kleinen Flächen einer Fußballhaut lässt es sich ähnlich wie beim Dominospiel vielfach andocken, so dass bemerkenswerte Labyrinthe entstehen. Und wenn man sich vorstellt, wie diese Fußbälle von den Spielern malträtiert worden sind! Leider ist nicht zu eruieren, welche Mannschaften sie zu Grunde gerichtet haben. Waren es jene von Hapoel Tel Aviv oder gar jene von Maccabi Haifa?