asdf
 

Säulenstehen. Säulenschauen.

KUNST-LITFASS-SÄULEN

05/08/15 Kein Jesusgesicht auf dem Turiner Grabtuch. Auch keine Verwandte der Mona Lisa in Leonardos Sfumato-Technik: Aktuelle Porträts von hundert Widerstandskämpferinnen und –kämpfern aus Istanbul hat Olivia Wimmer für ihr auffallendes Litfaßsäulen-Sujet übereinander projiziert.

Von Heidemarie Klabacher

258 Litfaßsäulen stehen in Salzburg. Fünf davon sind Kunstwerke im öffentlichen Raum: Die Stadt Salzburg hat im Frühjahr in Zusammenarbeit mit dem Kunstbeirat, der Kulturabteilung des Landes und der Progress Werbung zum zweiten Wettbewerb „Kunst-Litfaßsäulen“ eingeladen. Die fünf Siegerprojekte sind bis 28. August nun im Stadtraum zu sehen.

In der Nähe der Lehener Brücke steht Olivia Wimmers Arbeit „The Protestor“, eine „Hommage an die Kraft und die Macht, die zivilem Ungehorsam und den kreativen gewaltlosen Prozessen weltweit inne wohnt“, schreibt die Künstlerin auf dem A-Ständer neben der Litfaß-Säule am Franz-Josef-Kai 39. Die Fotografin hat in Istanbul hundert Männer und hundert Frauen portraitiert, die in den Gezi-Protesten 2013 aktiv waren. Die Porträts wurden digital zu zwei Bildern verschmolzen: „Die Demonstrantin“ und „Der Demonstrant“ sollen, so Olivia Wimmer, „ stellvertretend all denjenigen ein Gesicht verleihen, die von autoritären Regimen und Regierungen zum Schweigen gezwungen wurden und werden“.

Launiger geht es gut zweihundert Meter flussaufwärts zu auf Severin Hofmanns „Leberkäspilaster“ am Franz-Josef-Kai 27. Er wollte augenzwinkernd die tragende Rolle von Leberkäse als Säule unserer Gesellschaft ins Bild setzen: „Gerade in Salzburg, säulenmäßig ohnehin reich und auf höchstem Niveau ausgestattet, gilt er nicht zu Unrecht als Meister seiner Klasse“, heißt es im Begleittext. Wie das nahtlose Leberkäsmuster die Litfaßsäule umschmeichele und umschlinge, werde hier „in einer Art Trompe-l‘oeil-Technik nicht nur das Auge, sondern auch den Bauch auf angenehme und traditionelle Weise zu täuschen versucht“.

Die drei weiteren prämiierten Kunst-Litfaßsäulen sind „Brückenschlagen“ von Fiona Crestani am Giselakai 51, „Vierundzwanzig Raben“ von Katerina D. Drahosova und Gerhard Feldbacher auf der City Light Säule vor der Stadtbibliothek und „You got me really interested” von Isabella Kohlhuber in der Franz-Josef-Straße 1.

„Die Litfaßsäule bewährt sich seit 160 Jahren. Wir leben im digitalen Zeitalter, aber das stört die Litfaßsäule nicht“, sagte Werner Thuswaldner, der Vorsitzende des Kunstbeirates, heute Mittwoch (5.8.) bei der Pressepräsentation der Preisträgerwerke „vor Ort“ am Franz-Josef-Kai. Er sei, so Thuswaldner, fasziniert von der Spannweite des künstlerischen Ausdrucks auf Plakaten und Litfaßsäulen. „Das Plakat ist ja gar nicht ganz kunstfern.“ Formen der Gebrauchsgrafik seien sehr kunstvoll und schon im 19. Jahrhundert gesammelt worden. „Anders als in der Galerie, wo sich Kunstfreunde und Eingeweihte bewegen, verlangt eine solche Gebrauchskunst im öffentlichen Raum eine eigene Ästhetik.“

Werner Thuswaldner, Dagmar Aigner von der Abteilung für Kultur, Bildung und Wissen der Stadt Salzburg, Dietgard Grimmer von der Kulturabteilung des Landes und Fred Kendlbacher, der Geschäftsführer der Progress Werbung (die die Her- und Aufstellung der Arbeiten ermöglicht) versicherten, dass es die Kooperation rund um die Kunst-Litfaßsäule auch künftig geben und der Preis auch weiterhin alle zwei Jahre ausgeschrieben werde.

Heuer in der zweiten Runde wurde der Preis erstmals von allen Kooperationspartnern gemeinsam ausgeschrieben. Das Echo sei erfreulich gewesen, die Jury konnte aus dreißig qualitätvollen Einreichungen fünf Siegerprojekte wählen. Die Künstlerinnen und Künstler bekommen je tausend Euro. Dies sei möglich, so Werner Thuswaldner, „seit der Kunstbeirat auch dotiert ist“.

Bilder: dpk-klaba

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014